Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

treu, mütterlich zugethan bleibt bis zum Grabe und
über's Grab!

Darauf ließ sich nichts mehr sagen; sowohl Bit-
ten als Forderungen mußten da verstummen. Anton
begnügte sich, seiner lebenssatten Freundin die Ver-
sicherung zu wiederholen, daß er um jenen von ihr
gestellten Preis niemals etwas Näheres von ihrer
Vergangenheit erfahren möge.

O dennoch, dennoch! rief sie aus. Sollten Sie
Jhre Jugend in den Thorheiten verderben, denen
Sie jetzt obliegen? Das wäre ja fürchterlich für Sie,
und noch fürchterlicher für mich, die den größten Theil
der Schuld trägt, daß Sie bei uns blieben. Nein,
Anton, Jhnen winkt eine bessere Zukunft. Wie ich
Sie kennen und erkennen gelernt, sind Sie der Mann,
sich Bahn zu brechen, wohin ich Jhnen durch meine
Handschrift den Weg zeigen darf. Es soll mein
Testament sein!

"Mit Testamenten," äußerte Anton sehr klein-
laut, "hab' ich kein Glück, wie Sie wissen. Möchten
Sie lange leben!"

Leben -- flüsterte die kranke Frau. Ja, leben!
Wenn man lebte!? Nennen Sie das Leben, was
ich führe?

13 *

treu, muͤtterlich zugethan bleibt bis zum Grabe und
uͤber’s Grab!

Darauf ließ ſich nichts mehr ſagen; ſowohl Bit-
ten als Forderungen mußten da verſtummen. Anton
begnuͤgte ſich, ſeiner lebensſatten Freundin die Ver-
ſicherung zu wiederholen, daß er um jenen von ihr
geſtellten Preis niemals etwas Naͤheres von ihrer
Vergangenheit erfahren moͤge.

O dennoch, dennoch! rief ſie aus. Sollten Sie
Jhre Jugend in den Thorheiten verderben, denen
Sie jetzt obliegen? Das waͤre ja fuͤrchterlich fuͤr Sie,
und noch fuͤrchterlicher fuͤr mich, die den groͤßten Theil
der Schuld traͤgt, daß Sie bei uns blieben. Nein,
Anton, Jhnen winkt eine beſſere Zukunft. Wie ich
Sie kennen und erkennen gelernt, ſind Sie der Mann,
ſich Bahn zu brechen, wohin ich Jhnen durch meine
Handſchrift den Weg zeigen darf. Es ſoll mein
Teſtament ſein!

„Mit Teſtamenten,“ aͤußerte Anton ſehr klein-
laut, „hab’ ich kein Gluͤck, wie Sie wiſſen. Moͤchten
Sie lange leben!

Leben — fluͤſterte die kranke Frau. Ja, leben!
Wenn man lebte!? Nennen Sie das Leben, was
ich fuͤhre?

13 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0199" n="195"/>
treu, mu&#x0364;tterlich zugethan bleibt bis zum Grabe und<lb/>
u&#x0364;ber&#x2019;s Grab!</p><lb/>
        <p>Darauf ließ &#x017F;ich nichts mehr &#x017F;agen; &#x017F;owohl Bit-<lb/>
ten als Forderungen mußten da ver&#x017F;tummen. Anton<lb/>
begnu&#x0364;gte &#x017F;ich, &#x017F;einer lebens&#x017F;atten Freundin die Ver-<lb/>
&#x017F;icherung zu wiederholen, daß er um jenen von ihr<lb/>
ge&#x017F;tellten Preis niemals etwas Na&#x0364;heres von ihrer<lb/>
Vergangenheit erfahren mo&#x0364;ge.</p><lb/>
        <p>O dennoch, dennoch! rief &#x017F;ie aus. Sollten Sie<lb/>
Jhre Jugend in den Thorheiten verderben, denen<lb/>
Sie jetzt obliegen? Das wa&#x0364;re ja fu&#x0364;rchterlich fu&#x0364;r Sie,<lb/>
und noch fu&#x0364;rchterlicher fu&#x0364;r mich, die den gro&#x0364;ßten Theil<lb/>
der Schuld tra&#x0364;gt, daß Sie bei uns blieben. Nein,<lb/>
Anton, Jhnen winkt eine be&#x017F;&#x017F;ere Zukunft. Wie ich<lb/>
Sie kennen und erkennen gelernt, &#x017F;ind Sie der Mann,<lb/>
&#x017F;ich Bahn zu brechen, wohin ich Jhnen durch meine<lb/>
Hand&#x017F;chrift den Weg zeigen darf. Es &#x017F;oll mein<lb/>
Te&#x017F;tament &#x017F;ein!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mit Te&#x017F;tamenten,&#x201C; a&#x0364;ußerte Anton &#x017F;ehr klein-<lb/>
laut, &#x201E;hab&#x2019; ich kein Glu&#x0364;ck, wie Sie wi&#x017F;&#x017F;en. Mo&#x0364;chten<lb/>
Sie lange <hi rendition="#g">leben!</hi>&#x201C;</p><lb/>
        <p>Leben &#x2014; flu&#x0364;&#x017F;terte die kranke Frau. Ja, leben!<lb/><hi rendition="#g">Wenn</hi> man lebte!? Nennen Sie das <hi rendition="#g">Leben,</hi> was<lb/>
ich fu&#x0364;hre?</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">13 *</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0199] treu, muͤtterlich zugethan bleibt bis zum Grabe und uͤber’s Grab! Darauf ließ ſich nichts mehr ſagen; ſowohl Bit- ten als Forderungen mußten da verſtummen. Anton begnuͤgte ſich, ſeiner lebensſatten Freundin die Ver- ſicherung zu wiederholen, daß er um jenen von ihr geſtellten Preis niemals etwas Naͤheres von ihrer Vergangenheit erfahren moͤge. O dennoch, dennoch! rief ſie aus. Sollten Sie Jhre Jugend in den Thorheiten verderben, denen Sie jetzt obliegen? Das waͤre ja fuͤrchterlich fuͤr Sie, und noch fuͤrchterlicher fuͤr mich, die den groͤßten Theil der Schuld traͤgt, daß Sie bei uns blieben. Nein, Anton, Jhnen winkt eine beſſere Zukunft. Wie ich Sie kennen und erkennen gelernt, ſind Sie der Mann, ſich Bahn zu brechen, wohin ich Jhnen durch meine Handſchrift den Weg zeigen darf. Es ſoll mein Teſtament ſein! „Mit Teſtamenten,“ aͤußerte Anton ſehr klein- laut, „hab’ ich kein Gluͤck, wie Sie wiſſen. Moͤchten Sie lange leben!“ Leben — fluͤſterte die kranke Frau. Ja, leben! Wenn man lebte!? Nennen Sie das Leben, was ich fuͤhre? 13 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/199
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/199>, abgerufen am 27.11.2024.