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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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sich richtete, daß er denn doch nicht energisch genug
verfahren sei, um den Aufenthalt der Carina zu erkun-
den und jene Spuren zu verfolgen, auf denen er
etwas Näheres von seiner Mutter und ihrem Ende
vielleicht erfahren haben würde; -- dann bedeutete
man ihn alles Ernstes, dieser Vorwürfe und Selbst-
quälereien sich zu entschlagen, da es keinem Zweifel
unterliege, daß die übel zusammengeworfene Sänger-
gesellschaft, mit welcher die Carina ihr letztes Heil
versuchte, gleich nach ihrer Ankunft in Deutschland
aufgelöst und versprengt worden, die Carina jedoch
elend zu Grunde gegangen sei. Dies, versicherte die
kranke Frau, wisse sie mit unumstößlicher Gewißheit,
durch glaubwürdige Zeugen; er möge ihrem an hei-
liger Eidesstatt gegebenen Worte vertrauen: jede
Bemühung, die Gesuchte anderswo aufzufinden,
müsse fruchtlos bleiben.

An dem Abende, den wir zunächst schildern, war
Anton, von seiner Zuhörerin geleitet, wieder in die
ersten Tage seines Lebens, bis zu seiner Geburt zurück-
gegangen. Was er aus den Mittheilungen der Mut-
ter Goksch erfahren, das erzählte er nun, ohne daran
zu denken, daß heute wiederum heiliger Abend sei.
Die Dunkelstunde trat ein. Die Fenster in der

ſich richtete, daß er denn doch nicht energiſch genug
verfahren ſei, um den Aufenthalt der Carina zu erkun-
den und jene Spuren zu verfolgen, auf denen er
etwas Naͤheres von ſeiner Mutter und ihrem Ende
vielleicht erfahren haben wuͤrde; — dann bedeutete
man ihn alles Ernſtes, dieſer Vorwuͤrfe und Selbſt-
quaͤlereien ſich zu entſchlagen, da es keinem Zweifel
unterliege, daß die uͤbel zuſammengeworfene Saͤnger-
geſellſchaft, mit welcher die Carina ihr letztes Heil
verſuchte, gleich nach ihrer Ankunft in Deutſchland
aufgeloͤst und verſprengt worden, die Carina jedoch
elend zu Grunde gegangen ſei. Dies, verſicherte die
kranke Frau, wiſſe ſie mit unumſtoͤßlicher Gewißheit,
durch glaubwuͤrdige Zeugen; er moͤge ihrem an hei-
liger Eidesſtatt gegebenen Worte vertrauen: jede
Bemuͤhung, die Geſuchte anderswo aufzufinden,
muͤſſe fruchtlos bleiben.

An dem Abende, den wir zunaͤchſt ſchildern, war
Anton, von ſeiner Zuhoͤrerin geleitet, wieder in die
erſten Tage ſeines Lebens, bis zu ſeiner Geburt zuruͤck-
gegangen. Was er aus den Mittheilungen der Mut-
ter Gokſch erfahren, das erzaͤhlte er nun, ohne daran
zu denken, daß heute wiederum heiliger Abend ſei.
Die Dunkelſtunde trat ein. Die Fenſter in der

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[189/0193] ſich richtete, daß er denn doch nicht energiſch genug verfahren ſei, um den Aufenthalt der Carina zu erkun- den und jene Spuren zu verfolgen, auf denen er etwas Naͤheres von ſeiner Mutter und ihrem Ende vielleicht erfahren haben wuͤrde; — dann bedeutete man ihn alles Ernſtes, dieſer Vorwuͤrfe und Selbſt- quaͤlereien ſich zu entſchlagen, da es keinem Zweifel unterliege, daß die uͤbel zuſammengeworfene Saͤnger- geſellſchaft, mit welcher die Carina ihr letztes Heil verſuchte, gleich nach ihrer Ankunft in Deutſchland aufgeloͤst und verſprengt worden, die Carina jedoch elend zu Grunde gegangen ſei. Dies, verſicherte die kranke Frau, wiſſe ſie mit unumſtoͤßlicher Gewißheit, durch glaubwuͤrdige Zeugen; er moͤge ihrem an hei- liger Eidesſtatt gegebenen Worte vertrauen: jede Bemuͤhung, die Geſuchte anderswo aufzufinden, muͤſſe fruchtlos bleiben. An dem Abende, den wir zunaͤchſt ſchildern, war Anton, von ſeiner Zuhoͤrerin geleitet, wieder in die erſten Tage ſeines Lebens, bis zu ſeiner Geburt zuruͤck- gegangen. Was er aus den Mittheilungen der Mut- ter Gokſch erfahren, das erzaͤhlte er nun, ohne daran zu denken, daß heute wiederum heiliger Abend ſei. Die Dunkelſtunde trat ein. Die Fenſter in der

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/193>, abgerufen am 24.11.2024.