Jtaliens Himmel mich sehnen, wohin bange Hoffnung jetzt meine Seele zieht. Abermals wird wüstes Fieber mich auf's Krankenlager werfen, -- ach, und keine Antonina, keine Adele wird mit Engels-Fittigen mir kühlenden Trost zuwehen. Wär' es nicht besser, von ihren milden Worten beruhiget, zum himmlischen Frie- den hinüber gegangen zu sein! Daß ich jetzo begraben läge, wo Carino liegt und mein armer Tischler!
Anton blieb viel daheim, holte im Tagebuche emsig nach, was er versäumt durch Bärbels Umgang, durch seine Krankheit, füllte alle Lücken aus, schrieb die ersteren Blätter in's Reine und lebte auf diese Weise sein junges Leben noch einmal durch. Nur im Schutze der Abend-Dämmerung wagte er sich hinaus an die Luft. Jn jedem Begegnendem der ihn eines Blickes würdigte, wähnte er den Verfolger fürchten zu müssen; den Diener der Gewalt, der ihn zur Rechenschaft ziehe.
Es war wieder Herbst geworden. Fast ein Jahr verstrichen, seitdem er in Paris eingewandert. Für ihn, welch' ein Jahr!
Von Adele keine Kunde. Kein Zeichen, daß er noch hoffen dürfe! Tag auf Tag verging; seine Besorgnisse nahmen stündlich zu.
Jtaliens Himmel mich ſehnen, wohin bange Hoffnung jetzt meine Seele zieht. Abermals wird wuͤſtes Fieber mich auf’s Krankenlager werfen, — ach, und keine Antonina, keine Adele wird mit Engels-Fittigen mir kuͤhlenden Troſt zuwehen. Waͤr’ es nicht beſſer, von ihren milden Worten beruhiget, zum himmliſchen Frie- den hinuͤber gegangen zu ſein! Daß ich jetzo begraben laͤge, wo Carino liegt und mein armer Tiſchler!
Anton blieb viel daheim, holte im Tagebuche emſig nach, was er verſaͤumt durch Baͤrbels Umgang, durch ſeine Krankheit, fuͤllte alle Luͤcken aus, ſchrieb die erſteren Blaͤtter in’s Reine und lebte auf dieſe Weiſe ſein junges Leben noch einmal durch. Nur im Schutze der Abend-Daͤmmerung wagte er ſich hinaus an die Luft. Jn jedem Begegnendem der ihn eines Blickes wuͤrdigte, waͤhnte er den Verfolger fuͤrchten zu muͤſſen; den Diener der Gewalt, der ihn zur Rechenſchaft ziehe.
Es war wieder Herbſt geworden. Faſt ein Jahr verſtrichen, ſeitdem er in Paris eingewandert. Fuͤr ihn, welch’ ein Jahr!
Von Adele keine Kunde. Kein Zeichen, daß er noch hoffen duͤrfe! Tag auf Tag verging; ſeine Beſorgniſſe nahmen ſtuͤndlich zu.
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Jtaliens Himmel mich ſehnen, wohin bange Hoffnung
jetzt meine Seele zieht. Abermals wird wuͤſtes Fieber
mich auf’s Krankenlager werfen, — ach, und keine
Antonina, keine Adele wird mit Engels-Fittigen mir
kuͤhlenden Troſt zuwehen. Waͤr’ es nicht beſſer, von
ihren milden Worten beruhiget, zum himmliſchen Frie-
den hinuͤber gegangen zu ſein! Daß ich jetzo begraben
laͤge, wo Carino liegt und mein armer Tiſchler!
Anton blieb viel daheim, holte im Tagebuche
emſig nach, was er verſaͤumt durch Baͤrbels Umgang,
durch ſeine Krankheit, fuͤllte alle Luͤcken aus, ſchrieb
die erſteren Blaͤtter in’s Reine und lebte auf dieſe
Weiſe ſein junges Leben noch einmal durch. Nur im
Schutze der Abend-Daͤmmerung wagte er ſich hinaus
an die Luft. Jn jedem Begegnendem der ihn eines
Blickes wuͤrdigte, waͤhnte er den Verfolger fuͤrchten
zu muͤſſen; den Diener der Gewalt, der ihn zur
Rechenſchaft ziehe.
Es war wieder Herbſt geworden. Faſt ein Jahr
verſtrichen, ſeitdem er in Paris eingewandert. Fuͤr
ihn, welch’ ein Jahr!
Von Adele keine Kunde. Kein Zeichen, daß er
noch hoffen duͤrfe! Tag auf Tag verging; ſeine
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/19>, abgerufen am 05.07.2024.
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