An die Stelle der Letzteren bin ich getreten; -- der Platz des tragischen Schauspielers ist noch nicht aus- gefüllt. Jch wünschte sehr, daß sich jemand dafür fände; wir wollten ihn gut bezahlen. Mein armer Mann muß sich schwer anstrengen: die Führung und Lenkung der Puppen ist keine Kleinigkeit; sie nimmt alle Körperkräfte in Anspruch, und daneben so viel zu reden, greift furchtbar an. Für einen Mann von bei- nahe siebenzig Jahren ist das zu viel. Jch bin so lei- dend und schleiche so matt und hinfällig einher, daß ich wenig thun kann, seine Mühen zu erleichtern. Gerade heute bin ich recht besorgt, wie es geh'n wird; ich befand mich schon den Tag über schlechter als bis- her, und dann ist noch -- -- noch ein unerwartetes Ereigniß dazu gekommen, welches mich sehr ergriffen hat. Nun soll ich, weil in dem heutigen Stück ver- schiedene Figuren zugleich erscheinen, meinem Manne die Leitung der Judith abnehmen, was ich gar nicht verstehe, und was er leicht ohne Beihülfe abmachen könnte, wenn nicht seine Aufmerksamkeit zugleich auf die vielen Nebenpersonen, die er sprechen lassen muß, in Anspruch genommen wäre."
Anton, der sich anfänglich vor den großen, starren, auf ihn gehefteten Augen ein wenig entsetzt, wurde
An die Stelle der Letzteren bin ich getreten; — der Platz des tragiſchen Schauſpielers iſt noch nicht aus- gefuͤllt. Jch wuͤnſchte ſehr, daß ſich jemand dafuͤr faͤnde; wir wollten ihn gut bezahlen. Mein armer Mann muß ſich ſchwer anſtrengen: die Fuͤhrung und Lenkung der Puppen iſt keine Kleinigkeit; ſie nimmt alle Koͤrperkraͤfte in Anſpruch, und daneben ſo viel zu reden, greift furchtbar an. Fuͤr einen Mann von bei- nahe ſiebenzig Jahren iſt das zu viel. Jch bin ſo lei- dend und ſchleiche ſo matt und hinfaͤllig einher, daß ich wenig thun kann, ſeine Muͤhen zu erleichtern. Gerade heute bin ich recht beſorgt, wie es geh’n wird; ich befand mich ſchon den Tag uͤber ſchlechter als bis- her, und dann iſt noch — — noch ein unerwartetes Ereigniß dazu gekommen, welches mich ſehr ergriffen hat. Nun ſoll ich, weil in dem heutigen Stuͤck ver- ſchiedene Figuren zugleich erſcheinen, meinem Manne die Leitung der Judith abnehmen, was ich gar nicht verſtehe, und was er leicht ohne Beihuͤlfe abmachen koͤnnte, wenn nicht ſeine Aufmerkſamkeit zugleich auf die vielen Nebenperſonen, die er ſprechen laſſen muß, in Anſpruch genommen waͤre.“
Anton, der ſich anfaͤnglich vor den großen, ſtarren, auf ihn gehefteten Augen ein wenig entſetzt, wurde
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An die Stelle der Letzteren bin ich getreten; — der
Platz des tragiſchen Schauſpielers iſt noch nicht aus-
gefuͤllt. Jch wuͤnſchte ſehr, daß ſich jemand dafuͤr
faͤnde; wir wollten ihn gut bezahlen. Mein armer
Mann muß ſich ſchwer anſtrengen: die Fuͤhrung und
Lenkung der Puppen iſt keine Kleinigkeit; ſie nimmt
alle Koͤrperkraͤfte in Anſpruch, und daneben ſo viel zu
reden, greift furchtbar an. Fuͤr einen Mann von bei-
nahe ſiebenzig Jahren iſt das zu viel. Jch bin ſo lei-
dend und ſchleiche ſo matt und hinfaͤllig einher, daß
ich wenig thun kann, ſeine Muͤhen zu erleichtern.
Gerade heute bin ich recht beſorgt, wie es geh’n wird;
ich befand mich ſchon den Tag uͤber ſchlechter als bis-
her, und dann iſt noch — — noch ein unerwartetes
Ereigniß dazu gekommen, welches mich ſehr ergriffen
hat. Nun ſoll ich, weil in dem heutigen Stuͤck ver-
ſchiedene Figuren zugleich erſcheinen, meinem Manne
die Leitung der Judith abnehmen, was ich gar nicht
verſtehe, und was er leicht ohne Beihuͤlfe abmachen
koͤnnte, wenn nicht ſeine Aufmerkſamkeit zugleich auf
die vielen Nebenperſonen, die er ſprechen laſſen muß,
in Anſpruch genommen waͤre.“
Anton, der ſich anfaͤnglich vor den großen, ſtarren,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/182>, abgerufen am 27.07.2024.
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