Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Während sie das Abendbrot bereitet, geh' ich an's
Werk. Geschehe dann, was wolle!

Jch schwöre mir's: heute oder nie!"


"Pfui, der Schande! --

Damit die Schande vollkommen und mir zugleich
eine Lehre sei für's künftige Leben, will ich zur Strafe
meiner dummen Jungen-Eitelkeit wörtlich nieder-
schreiben, was mir widerfahren ist. Wahr und auf-
richtig.

Nachdem ich gestern, während sie in der Küche
schaffte, meinen Plan ausgeführt, den Stubenschlüssel
im Schlosse zerbrochen, den Nachtriegel abgezwickt,
das kleine Vorlegekettchen ausgerissen, begab ich mich
zum Essen hinunter, doch ohne viel Appetit. So
lange wir beim Tische saßen, verschlang ich nur sie
-- mit den Augen; mochte keinen andern Bissen;
dachte nur, wie ich bei ihr eindringen wollte.

Sie räumte ab, wie gewöhnlich; sagte dem Vater
gute Nacht, wie gewöhnlich; ging zur Ruhe, wie
gewöhnlich.

Kaum konnte sie nach meiner Berechnung in ihrem
Zimmer sein, als ich desgleichen aufbrach.

Waͤhrend ſie das Abendbrot bereitet, geh’ ich an’s
Werk. Geſchehe dann, was wolle!

Jch ſchwoͤre mir’s: heute oder nie!“


„Pfui, der Schande! —

Damit die Schande vollkommen und mir zugleich
eine Lehre ſei fuͤr’s kuͤnftige Leben, will ich zur Strafe
meiner dummen Jungen-Eitelkeit woͤrtlich nieder-
ſchreiben, was mir widerfahren iſt. Wahr und auf-
richtig.

Nachdem ich geſtern, waͤhrend ſie in der Kuͤche
ſchaffte, meinen Plan ausgefuͤhrt, den Stubenſchluͤſſel
im Schloſſe zerbrochen, den Nachtriegel abgezwickt,
das kleine Vorlegekettchen ausgeriſſen, begab ich mich
zum Eſſen hinunter, doch ohne viel Appetit. So
lange wir beim Tiſche ſaßen, verſchlang ich nur ſie
— mit den Augen; mochte keinen andern Biſſen;
dachte nur, wie ich bei ihr eindringen wollte.

Sie raͤumte ab, wie gewoͤhnlich; ſagte dem Vater
gute Nacht, wie gewoͤhnlich; ging zur Ruhe, wie
gewoͤhnlich.

Kaum konnte ſie nach meiner Berechnung in ihrem
Zimmer ſein, als ich desgleichen aufbrach.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="diaryEntry">
            <pb facs="#f0131" n="127"/>
            <p>Wa&#x0364;hrend &#x017F;ie das Abendbrot bereitet, geh&#x2019; ich an&#x2019;s<lb/>
Werk. Ge&#x017F;chehe dann, was wolle!</p><lb/>
            <p>Jch &#x017F;chwo&#x0364;re mir&#x2019;s: heute oder nie!&#x201C;</p>
          </div><lb/>
          <div type="diaryEntry">
            <dateline> <hi rendition="#et">Vom 22. Dezember.</hi> </dateline><lb/>
            <p>&#x201E;Pfui, der Schande! &#x2014;</p><lb/>
            <p>Damit die Schande vollkommen und mir zugleich<lb/>
eine Lehre &#x017F;ei fu&#x0364;r&#x2019;s ku&#x0364;nftige Leben, will ich zur Strafe<lb/>
meiner dummen Jungen-Eitelkeit wo&#x0364;rtlich nieder-<lb/>
&#x017F;chreiben, was mir widerfahren i&#x017F;t. Wahr und auf-<lb/>
richtig.</p><lb/>
            <p>Nachdem ich ge&#x017F;tern, wa&#x0364;hrend &#x017F;ie in der Ku&#x0364;che<lb/>
&#x017F;chaffte, meinen Plan ausgefu&#x0364;hrt, den Stuben&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el<lb/>
im Schlo&#x017F;&#x017F;e zerbrochen, den Nachtriegel abgezwickt,<lb/>
das kleine Vorlegekettchen ausgeri&#x017F;&#x017F;en, begab ich mich<lb/>
zum E&#x017F;&#x017F;en hinunter, doch ohne viel Appetit. So<lb/>
lange wir beim Ti&#x017F;che &#x017F;aßen, ver&#x017F;chlang <hi rendition="#g">ich</hi> nur <hi rendition="#g">&#x017F;ie</hi><lb/>
&#x2014; mit den Augen; mochte keinen andern Bi&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
dachte nur, wie ich bei ihr eindringen wollte.</p><lb/>
            <p>Sie ra&#x0364;umte ab, wie gewo&#x0364;hnlich; &#x017F;agte dem Vater<lb/>
gute Nacht, wie gewo&#x0364;hnlich; ging zur Ruhe, wie<lb/>
gewo&#x0364;hnlich.</p><lb/>
            <p>Kaum konnte &#x017F;ie nach meiner Berechnung in ihrem<lb/>
Zimmer &#x017F;ein, als ich desgleichen aufbrach.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0131] Waͤhrend ſie das Abendbrot bereitet, geh’ ich an’s Werk. Geſchehe dann, was wolle! Jch ſchwoͤre mir’s: heute oder nie!“ Vom 22. Dezember. „Pfui, der Schande! — Damit die Schande vollkommen und mir zugleich eine Lehre ſei fuͤr’s kuͤnftige Leben, will ich zur Strafe meiner dummen Jungen-Eitelkeit woͤrtlich nieder- ſchreiben, was mir widerfahren iſt. Wahr und auf- richtig. Nachdem ich geſtern, waͤhrend ſie in der Kuͤche ſchaffte, meinen Plan ausgefuͤhrt, den Stubenſchluͤſſel im Schloſſe zerbrochen, den Nachtriegel abgezwickt, das kleine Vorlegekettchen ausgeriſſen, begab ich mich zum Eſſen hinunter, doch ohne viel Appetit. So lange wir beim Tiſche ſaßen, verſchlang ich nur ſie — mit den Augen; mochte keinen andern Biſſen; dachte nur, wie ich bei ihr eindringen wollte. Sie raͤumte ab, wie gewoͤhnlich; ſagte dem Vater gute Nacht, wie gewoͤhnlich; ging zur Ruhe, wie gewoͤhnlich. Kaum konnte ſie nach meiner Berechnung in ihrem Zimmer ſein, als ich desgleichen aufbrach.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/131
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/131>, abgerufen am 25.11.2024.