theilungen das sein könnten? Wer derjenige wäre, der ihm sie machen wolle? Und woher Antonina vermuthe, daß sie ihm gälten?
"Das ist höchst einfach," antwortete diese. "Jch war selbst in dem jammervollen Gemach, wo er bis heute krank gelegen, um Obacht zu geben auf sein Eigenthum und, was er etwa noch besäße, für ihn zu retten. Da fand ich ein Blatt Papier in großen Schriftzügen mit Bleistift beschrieben. Es sind deutsche Buchstaben darunter, die ich nicht kenne. Doch zwei Wörter, mit französischen Lettern sprangen mir in's Auge: "Anton und Liebenau." Da ich nun, sagte sie wehmüthig lächelnd von meiner Freundin Adele diese beiden Namen oft nennen hörte, so benützte ich einen lichten Augenblick des Fiebernden, ihn zu befragen. Aus seinem eifrigen Wunsch, denjenigen zu finden, an welchen diese Zuschrift begonnen wor- den, entnahm ich, daß etwas Wichtiges für Sie daran geknüpft sein könne. Diese Entdeckung veranlaßte mich, den Sterbenden noch hierher schaffen zu lassen, was ich nur mühsam, nur mit Hülfe mächtigen Ein- flusses durchsetzen konnte."
Das Blatt! Um Gotteswillen, Adele -- Anto- nina, das Blatt!
theilungen das ſein koͤnnten? Wer derjenige waͤre, der ihm ſie machen wolle? Und woher Antonina vermuthe, daß ſie ihm gaͤlten?
„Das iſt hoͤchſt einfach,“ antwortete dieſe. „Jch war ſelbſt in dem jammervollen Gemach, wo er bis heute krank gelegen, um Obacht zu geben auf ſein Eigenthum und, was er etwa noch beſaͤße, fuͤr ihn zu retten. Da fand ich ein Blatt Papier in großen Schriftzuͤgen mit Bleiſtift beſchrieben. Es ſind deutſche Buchſtaben darunter, die ich nicht kenne. Doch zwei Woͤrter, mit franzoͤſiſchen Lettern ſprangen mir in’s Auge: „Anton und Liebenau.“ Da ich nun, ſagte ſie wehmuͤthig laͤchelnd von meiner Freundin Adele dieſe beiden Namen oft nennen hoͤrte, ſo benuͤtzte ich einen lichten Augenblick des Fiebernden, ihn zu befragen. Aus ſeinem eifrigen Wunſch, denjenigen zu finden, an welchen dieſe Zuſchrift begonnen wor- den, entnahm ich, daß etwas Wichtiges fuͤr Sie daran geknuͤpft ſein koͤnne. Dieſe Entdeckung veranlaßte mich, den Sterbenden noch hierher ſchaffen zu laſſen, was ich nur muͤhſam, nur mit Huͤlfe maͤchtigen Ein- fluſſes durchſetzen konnte.“
Das Blatt! Um Gotteswillen, Adele — Anto- nina, das Blatt!
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theilungen das ſein koͤnnten? Wer derjenige waͤre,
der ihm ſie machen wolle? Und woher Antonina
vermuthe, daß ſie ihm gaͤlten?
„Das iſt hoͤchſt einfach,“ antwortete dieſe. „Jch
war ſelbſt in dem jammervollen Gemach, wo er bis
heute krank gelegen, um Obacht zu geben auf ſein
Eigenthum und, was er etwa noch beſaͤße, fuͤr ihn zu
retten. Da fand ich ein Blatt Papier in großen
Schriftzuͤgen mit Bleiſtift beſchrieben. Es ſind deutſche
Buchſtaben darunter, die ich nicht kenne. Doch zwei
Woͤrter, mit franzoͤſiſchen Lettern ſprangen mir in’s
Auge: „Anton und Liebenau.“ Da ich nun, ſagte
ſie wehmuͤthig laͤchelnd von meiner Freundin Adele
dieſe beiden Namen oft nennen hoͤrte, ſo benuͤtzte
ich einen lichten Augenblick des Fiebernden, ihn zu
befragen. Aus ſeinem eifrigen Wunſch, denjenigen
zu finden, an welchen dieſe Zuſchrift begonnen wor-
den, entnahm ich, daß etwas Wichtiges fuͤr Sie daran
geknuͤpft ſein koͤnne. Dieſe Entdeckung veranlaßte
mich, den Sterbenden noch hierher ſchaffen zu laſſen,
was ich nur muͤhſam, nur mit Huͤlfe maͤchtigen Ein-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/13>, abgerufen am 26.07.2024.
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