Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Ja, was soll ich thun? Soll ich ... Nein, das
wäre Feigheit, sich hinter einen Geistlichen und hinter
den heiligen Ehestand zu verkriechen, weil man auf
eigene Hand nicht gleich vom Fleck gekommen ist.
Wegen eines Nachtriegels an einer Schlafkammerthür
werd' ich mir doch nicht die Schmach anthun, das
bischen Poesie, was mir noch blüht, eh' ich in die
ewige Prosa hineintrete, spurlos verdüften zu lassen!
Zum Heirathen ist noch immer Zeit! Erst muß sie
mir sagen, wie heiß ihre Liebe zu mir ist, ohne daß
der Backofen geheizt wird für Hochzeitkuchen.

Haben mir's doch ganz Andere gesagt?!

Solch' ein albernes Dorf-Ding!"


"Jch halt' es nicht mehr aus! Wozu mich vor
mir selbst verstellen? Auf diese Blätter hab' ich Alles
geschrieben, was in und mit mir vorgegangen ist,
seitdem ich denken kann. Wär' es doch kindisch, wenn
ich mich diesmal verleugnen wollte.

So mag es denn hier stehen: ich bin in meinen
eigenen Schlingen gefangen; ich bin verliebt in den
kleinen Satan. Jch liebe sie nicht, aber ich bin wahn-
sinnig verliebt. Jch bebe vor dem Gedanken, daß ich
ihr Ehemann sein werde, -- daß ich überhaupt ein

Ja, was ſoll ich thun? Soll ich ... Nein, das
waͤre Feigheit, ſich hinter einen Geiſtlichen und hinter
den heiligen Eheſtand zu verkriechen, weil man auf
eigene Hand nicht gleich vom Fleck gekommen iſt.
Wegen eines Nachtriegels an einer Schlafkammerthuͤr
werd’ ich mir doch nicht die Schmach anthun, das
bischen Poeſie, was mir noch bluͤht, eh’ ich in die
ewige Proſa hineintrete, ſpurlos verduͤften zu laſſen!
Zum Heirathen iſt noch immer Zeit! Erſt muß ſie
mir ſagen, wie heiß ihre Liebe zu mir iſt, ohne daß
der Backofen geheizt wird fuͤr Hochzeitkuchen.

Haben mir’s doch ganz Andere geſagt?!

Solch’ ein albernes Dorf-Ding!“


„Jch halt’ es nicht mehr aus! Wozu mich vor
mir ſelbſt verſtellen? Auf dieſe Blaͤtter hab’ ich Alles
geſchrieben, was in und mit mir vorgegangen iſt,
ſeitdem ich denken kann. Waͤr’ es doch kindiſch, wenn
ich mich diesmal verleugnen wollte.

So mag es denn hier ſtehen: ich bin in meinen
eigenen Schlingen gefangen; ich bin verliebt in den
kleinen Satan. Jch liebe ſie nicht, aber ich bin wahn-
ſinnig verliebt. Jch bebe vor dem Gedanken, daß ich
ihr Ehemann ſein werde, — daß ich uͤberhaupt ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="diaryEntry">
            <pb facs="#f0129" n="125"/>
            <p>Ja, was &#x017F;oll ich thun? Soll ich ... Nein, das<lb/>
wa&#x0364;re Feigheit, &#x017F;ich hinter einen Gei&#x017F;tlichen und hinter<lb/>
den heiligen Ehe&#x017F;tand zu verkriechen, weil man auf<lb/>
eigene Hand nicht gleich vom Fleck gekommen i&#x017F;t.<lb/>
Wegen eines Nachtriegels an einer Schlafkammerthu&#x0364;r<lb/>
werd&#x2019; ich mir doch nicht die Schmach anthun, das<lb/>
bischen Poe&#x017F;ie, was mir noch blu&#x0364;ht, eh&#x2019; ich in die<lb/>
ewige Pro&#x017F;a hineintrete, &#x017F;purlos verdu&#x0364;ften zu la&#x017F;&#x017F;en!<lb/>
Zum Heirathen i&#x017F;t noch immer Zeit! Er&#x017F;t muß &#x017F;ie<lb/>
mir &#x017F;agen, wie heiß ihre Liebe zu mir i&#x017F;t, ohne daß<lb/>
der Backofen geheizt wird fu&#x0364;r Hochzeitkuchen.</p><lb/>
            <p>Haben mir&#x2019;s doch ganz Andere ge&#x017F;agt?!</p><lb/>
            <p>Solch&#x2019; ein albernes Dorf-Ding!&#x201C;</p>
          </div><lb/>
          <div type="diaryEntry">
            <dateline> <hi rendition="#et">Vom 20. Dezember.</hi> </dateline><lb/>
            <p>&#x201E;Jch halt&#x2019; es nicht mehr aus! Wozu mich vor<lb/>
mir &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;tellen? Auf die&#x017F;e Bla&#x0364;tter hab&#x2019; ich Alles<lb/>
ge&#x017F;chrieben, was in und mit mir vorgegangen i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;eitdem ich denken kann. Wa&#x0364;r&#x2019; es doch kindi&#x017F;ch, wenn<lb/>
ich mich diesmal verleugnen wollte.</p><lb/>
            <p>So mag es denn hier &#x017F;tehen: ich bin in meinen<lb/>
eigenen Schlingen gefangen; ich bin verliebt in den<lb/>
kleinen Satan. Jch liebe &#x017F;ie nicht, aber ich bin wahn-<lb/>
&#x017F;innig verliebt. Jch bebe vor dem Gedanken, daß ich<lb/>
ihr Ehemann &#x017F;ein werde, &#x2014; daß ich u&#x0364;berhaupt ein<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0129] Ja, was ſoll ich thun? Soll ich ... Nein, das waͤre Feigheit, ſich hinter einen Geiſtlichen und hinter den heiligen Eheſtand zu verkriechen, weil man auf eigene Hand nicht gleich vom Fleck gekommen iſt. Wegen eines Nachtriegels an einer Schlafkammerthuͤr werd’ ich mir doch nicht die Schmach anthun, das bischen Poeſie, was mir noch bluͤht, eh’ ich in die ewige Proſa hineintrete, ſpurlos verduͤften zu laſſen! Zum Heirathen iſt noch immer Zeit! Erſt muß ſie mir ſagen, wie heiß ihre Liebe zu mir iſt, ohne daß der Backofen geheizt wird fuͤr Hochzeitkuchen. Haben mir’s doch ganz Andere geſagt?! Solch’ ein albernes Dorf-Ding!“ Vom 20. Dezember. „Jch halt’ es nicht mehr aus! Wozu mich vor mir ſelbſt verſtellen? Auf dieſe Blaͤtter hab’ ich Alles geſchrieben, was in und mit mir vorgegangen iſt, ſeitdem ich denken kann. Waͤr’ es doch kindiſch, wenn ich mich diesmal verleugnen wollte. So mag es denn hier ſtehen: ich bin in meinen eigenen Schlingen gefangen; ich bin verliebt in den kleinen Satan. Jch liebe ſie nicht, aber ich bin wahn- ſinnig verliebt. Jch bebe vor dem Gedanken, daß ich ihr Ehemann ſein werde, — daß ich uͤberhaupt ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/129
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/129>, abgerufen am 26.11.2024.