Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.Vom 13. Dezember. "Liegt es an meinem schlechten Gewissen, -- denn Vom 13. Dezember. „Liegt es an meinem ſchlechten Gewiſſen, — denn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0128" n="124"/> <div type="diaryEntry"> <dateline> <hi rendition="#et">Vom 13. Dezember.</hi> </dateline><lb/> <p>„Liegt es an meinem ſchlechten Gewiſſen, — denn<lb/> Unrecht bleibt es, das muß ich ſelbſt geſtehen, ein<lb/> Maͤdchen im Schlafgemach alſo zu belauſchen; —<lb/> oder liegt es daran, daß ihre koͤrperlichen Vorzuͤge<lb/> mir gefaͤhrlich zu werden anfangen? ich empfinde<lb/> neben dem Groll, der mich bisher gegen ſie ſchweigen<lb/> ließ, jetzt auch einige Verlegenheit. Je mehr ſie meine<lb/> Phantaſie des Abends und bei Nacht beſchaͤftiget, deſto<lb/> mehr ſuch’ ich ihr den Tag uͤber auszuweichen. Uebri-<lb/> gens kann das nicht ſo fortdauern und ein Ende muß<lb/> gemacht werden. Das Einfachſte und Leichteſte waͤre<lb/> allerdings, daß ich mich erklaͤrte; daß ich dem Vater<lb/> eroͤffnete: ich will Jhren Wunſch erfuͤllen. Damit<lb/> waͤre auch der Adelheid geholfen, die nicht weiß, wie<lb/> ſie ſich dreh’n und winden ſoll, um ihre Liebe zu<lb/> beherrſchen. Sie ſeufzt manmal ſo aus dem Tiefſten<lb/> heraus, daß ich foͤrmlich erſchrecke; dann wird ſie’s<lb/> gewahr und erſchrickt auch; und dann macht ſie ſich<lb/> im Stalle, oder ſonſt wo zu ſchaffen, daß ſie mir nur<lb/> aus den Augen kommt. Der Vater wartet nur auf<lb/> mein erſtes Wort; er iſt zu zartfuͤhlend, ſie mir wie-<lb/> derholt anzutragen. Jch ſehe deutlich, wie er oft gern<lb/> reden moͤchte und es wieder hinunter ſchluckt.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0128]
Vom 13. Dezember.
„Liegt es an meinem ſchlechten Gewiſſen, — denn
Unrecht bleibt es, das muß ich ſelbſt geſtehen, ein
Maͤdchen im Schlafgemach alſo zu belauſchen; —
oder liegt es daran, daß ihre koͤrperlichen Vorzuͤge
mir gefaͤhrlich zu werden anfangen? ich empfinde
neben dem Groll, der mich bisher gegen ſie ſchweigen
ließ, jetzt auch einige Verlegenheit. Je mehr ſie meine
Phantaſie des Abends und bei Nacht beſchaͤftiget, deſto
mehr ſuch’ ich ihr den Tag uͤber auszuweichen. Uebri-
gens kann das nicht ſo fortdauern und ein Ende muß
gemacht werden. Das Einfachſte und Leichteſte waͤre
allerdings, daß ich mich erklaͤrte; daß ich dem Vater
eroͤffnete: ich will Jhren Wunſch erfuͤllen. Damit
waͤre auch der Adelheid geholfen, die nicht weiß, wie
ſie ſich dreh’n und winden ſoll, um ihre Liebe zu
beherrſchen. Sie ſeufzt manmal ſo aus dem Tiefſten
heraus, daß ich foͤrmlich erſchrecke; dann wird ſie’s
gewahr und erſchrickt auch; und dann macht ſie ſich
im Stalle, oder ſonſt wo zu ſchaffen, daß ſie mir nur
aus den Augen kommt. Der Vater wartet nur auf
mein erſtes Wort; er iſt zu zartfuͤhlend, ſie mir wie-
derholt anzutragen. Jch ſehe deutlich, wie er oft gern
reden moͤchte und es wieder hinunter ſchluckt.
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