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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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sie etwas von mir zu fürchten hat? Und diese Vor-
aussetzung zeigt am deutlichsten, wie es mit ihr steht.
Denn man sucht niemand hinter einer Thüre, wenn
man nicht Lust empfindet, sich selbst dahinter zu ver-
stecken. Bei all' dem war's nicht angenehm, wieder
umkehren zu müssen. Laut zu pochen durft' ich doch
nicht wagen. Jch hab' die ganze Nacht nicht ge-
schlafen."


"Nicht möglich, mit ihr zu sprechen ohne Zeugen.
Beim Abendessen faßt' ich mir ein Herz, in Vaters
Gegenwart zu fragen, ob sie immer bei verschlossener
Thüre schlafe?

Der Alte that, als hört' er's nicht.

Sie erwiederte, das wisse sie selbst nicht; manch-
mal riegle sie sich ein, manchmal nicht, wie's ihr nun
gerade einfiele. Jetzt bin ich doch neugierig, was ihr
heute beim Schlafengeh'n einfallen wird. Der Alte
weiß nicht, woran er mit uns beiden ist. Er glaubt,
ich mag das Mädchen nicht; das macht ihn ärgerlich."


"Solche Nacht gönn' ich keinem Spitzbuben!
Adelheid hat sich abermals eingesperrt und ich war so
fest überzeugt, sie würde mich nun einlassen. So fest,

ſie etwas von mir zu fuͤrchten hat? Und dieſe Vor-
ausſetzung zeigt am deutlichſten, wie es mit ihr ſteht.
Denn man ſucht niemand hinter einer Thuͤre, wenn
man nicht Luſt empfindet, ſich ſelbſt dahinter zu ver-
ſtecken. Bei all’ dem war’s nicht angenehm, wieder
umkehren zu muͤſſen. Laut zu pochen durft’ ich doch
nicht wagen. Jch hab’ die ganze Nacht nicht ge-
ſchlafen.“


„Nicht moͤglich, mit ihr zu ſprechen ohne Zeugen.
Beim Abendeſſen faßt’ ich mir ein Herz, in Vaters
Gegenwart zu fragen, ob ſie immer bei verſchloſſener
Thuͤre ſchlafe?

Der Alte that, als hoͤrt’ er’s nicht.

Sie erwiederte, das wiſſe ſie ſelbſt nicht; manch-
mal riegle ſie ſich ein, manchmal nicht, wie’s ihr nun
gerade einfiele. Jetzt bin ich doch neugierig, was ihr
heute beim Schlafengeh’n einfallen wird. Der Alte
weiß nicht, woran er mit uns beiden iſt. Er glaubt,
ich mag das Maͤdchen nicht; das macht ihn aͤrgerlich.“


„Solche Nacht goͤnn’ ich keinem Spitzbuben!
Adelheid hat ſich abermals eingeſperrt und ich war ſo
feſt uͤberzeugt, ſie wuͤrde mich nun einlaſſen. So feſt,

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[120/0124] ſie etwas von mir zu fuͤrchten hat? Und dieſe Vor- ausſetzung zeigt am deutlichſten, wie es mit ihr ſteht. Denn man ſucht niemand hinter einer Thuͤre, wenn man nicht Luſt empfindet, ſich ſelbſt dahinter zu ver- ſtecken. Bei all’ dem war’s nicht angenehm, wieder umkehren zu muͤſſen. Laut zu pochen durft’ ich doch nicht wagen. Jch hab’ die ganze Nacht nicht ge- ſchlafen.“ Vom 2. Dezember. „Nicht moͤglich, mit ihr zu ſprechen ohne Zeugen. Beim Abendeſſen faßt’ ich mir ein Herz, in Vaters Gegenwart zu fragen, ob ſie immer bei verſchloſſener Thuͤre ſchlafe? Der Alte that, als hoͤrt’ er’s nicht. Sie erwiederte, das wiſſe ſie ſelbſt nicht; manch- mal riegle ſie ſich ein, manchmal nicht, wie’s ihr nun gerade einfiele. Jetzt bin ich doch neugierig, was ihr heute beim Schlafengeh’n einfallen wird. Der Alte weiß nicht, woran er mit uns beiden iſt. Er glaubt, ich mag das Maͤdchen nicht; das macht ihn aͤrgerlich.“ Vom 3. Dezember. „Solche Nacht goͤnn’ ich keinem Spitzbuben! Adelheid hat ſich abermals eingeſperrt und ich war ſo feſt uͤberzeugt, ſie wuͤrde mich nun einlaſſen. So feſt,

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/124>, abgerufen am 26.11.2024.