"Antonina! Da sie diesen Namen erwählte, hat sie meiner gedacht!"
Jn dem Bette zunächst dem seinigen siechte ein junger deutscher Landsmann, ein armer Handwerker, für welchen der Arzt keine Hoffnung mehr gab. Jn dem Grade wie Anton sich der Gesundheit näherte, zehrte sich der dahin sterbende Tischlergesell sichtlich ab und schwand dem frühzeitigen Ende zu. Sie wechselten bisweilen deutsche Grüße miteinander; Zauberklänge aus heimathlicher Gegend.
Der Tischler, seiner guten alten Mutter einziges Kind, war ihr davon gegangen, "die Welt zu sehen!" Jn Paris war er in lüderliche Gesellschaft gerathen und hatte sich, seinem eigenen Ausdruck nach "auf die schlechte Seite gelegt." Und auf dieser setzte er mit bitter'm Scherze hinzu, bleib' ich nun liegen, bis sie mich auf den Rücken legen.
Wie sie zum Letztenmale mit einander redeten fragte der Tischler ob Anton nicht große Sehnsucht empfände nach seiner Mutter!
Jch habe keine, erwiederte dieser.
Wenn ich meine Mutter noch einmal sehen könnte, dann wollte ich gerne sterben, sprach der Tischler.
„Antonina! Da ſie dieſen Namen erwaͤhlte, hat ſie meiner gedacht!“
Jn dem Bette zunaͤchſt dem ſeinigen ſiechte ein junger deutſcher Landsmann, ein armer Handwerker, fuͤr welchen der Arzt keine Hoffnung mehr gab. Jn dem Grade wie Anton ſich der Geſundheit naͤherte, zehrte ſich der dahin ſterbende Tiſchlergeſell ſichtlich ab und ſchwand dem fruͤhzeitigen Ende zu. Sie wechſelten bisweilen deutſche Gruͤße miteinander; Zauberklaͤnge aus heimathlicher Gegend.
Der Tiſchler, ſeiner guten alten Mutter einziges Kind, war ihr davon gegangen, „die Welt zu ſehen!“ Jn Paris war er in luͤderliche Geſellſchaft gerathen und hatte ſich, ſeinem eigenen Ausdruck nach „auf die ſchlechte Seite gelegt.“ Und auf dieſer ſetzte er mit bitter’m Scherze hinzu, bleib’ ich nun liegen, bis ſie mich auf den Ruͤcken legen.
Wie ſie zum Letztenmale mit einander redeten fragte der Tiſchler ob Anton nicht große Sehnſucht empfaͤnde nach ſeiner Mutter!
Jch habe keine, erwiederte dieſer.
Wenn ich meine Mutter noch einmal ſehen koͤnnte, dann wollte ich gerne ſterben, ſprach der Tiſchler.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0011"n="7"/><p>„Antonina! Da ſie dieſen Namen erwaͤhlte, hat<lb/>ſie meiner gedacht!“</p><lb/><p>Jn dem Bette zunaͤchſt dem ſeinigen ſiechte ein<lb/>
junger deutſcher Landsmann, ein armer Handwerker,<lb/>
fuͤr welchen der Arzt keine Hoffnung mehr gab. Jn<lb/>
dem Grade wie Anton ſich der Geſundheit naͤherte,<lb/>
zehrte ſich der dahin ſterbende Tiſchlergeſell ſichtlich<lb/>
ab und ſchwand dem fruͤhzeitigen Ende zu. Sie<lb/>
wechſelten bisweilen deutſche Gruͤße miteinander;<lb/>
Zauberklaͤnge aus heimathlicher Gegend.</p><lb/><p>Der Tiſchler, ſeiner guten alten Mutter einziges<lb/>
Kind, war ihr davon gegangen, „die Welt zu ſehen!“<lb/>
Jn Paris war er in luͤderliche Geſellſchaft gerathen<lb/>
und hatte ſich, ſeinem eigenen Ausdruck nach „auf<lb/>
die ſchlechte Seite gelegt.“ Und auf dieſer ſetzte er<lb/>
mit bitter’m Scherze hinzu, bleib’ ich nun liegen, bis<lb/>ſie mich auf den Ruͤcken legen.</p><lb/><p>Wie ſie zum Letztenmale mit einander redeten<lb/>
fragte der Tiſchler ob Anton nicht große Sehnſucht<lb/>
empfaͤnde nach ſeiner Mutter!</p><lb/><p>Jch habe keine, erwiederte dieſer.</p><lb/><p>Wenn ich meine Mutter noch einmal ſehen koͤnnte,<lb/>
dann wollte ich gerne ſterben, ſprach der Tiſchler.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[7/0011]
„Antonina! Da ſie dieſen Namen erwaͤhlte, hat
ſie meiner gedacht!“
Jn dem Bette zunaͤchſt dem ſeinigen ſiechte ein
junger deutſcher Landsmann, ein armer Handwerker,
fuͤr welchen der Arzt keine Hoffnung mehr gab. Jn
dem Grade wie Anton ſich der Geſundheit naͤherte,
zehrte ſich der dahin ſterbende Tiſchlergeſell ſichtlich
ab und ſchwand dem fruͤhzeitigen Ende zu. Sie
wechſelten bisweilen deutſche Gruͤße miteinander;
Zauberklaͤnge aus heimathlicher Gegend.
Der Tiſchler, ſeiner guten alten Mutter einziges
Kind, war ihr davon gegangen, „die Welt zu ſehen!“
Jn Paris war er in luͤderliche Geſellſchaft gerathen
und hatte ſich, ſeinem eigenen Ausdruck nach „auf
die ſchlechte Seite gelegt.“ Und auf dieſer ſetzte er
mit bitter’m Scherze hinzu, bleib’ ich nun liegen, bis
ſie mich auf den Ruͤcken legen.
Wie ſie zum Letztenmale mit einander redeten
fragte der Tiſchler ob Anton nicht große Sehnſucht
empfaͤnde nach ſeiner Mutter!
Jch habe keine, erwiederte dieſer.
Wenn ich meine Mutter noch einmal ſehen koͤnnte,
dann wollte ich gerne ſterben, ſprach der Tiſchler.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/11>, abgerufen am 26.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.