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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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Jetzt machte der Weg eine Biegung. -- Hier
müssen sie stehen -- bei Gott, da seh' ich die Trommel.

Das hatte seine Richtigkeit. Eine Trommel hing
vor Anton. Doch nicht an einem lebendigen Men-
schen. Eine große Trommel an den dürren Ast eines
krummen, halbverwitterten Baumstammes aufge-
hängt. Auf dem zur Erde gesenkten Stamme saß
-- ein Hase. Wie dieser Anton erblickte, fing er auf's
Neue zu trommeln an, heftiger denn vorher; seine
beiden Vorderläufe arbeiteten mit unerhörter Fertig-
keit und zwar gab er für den Augenblick das Allarm-
Signal zum Besten, womit man bei nächtlichen
Feuersbrünsten schlafende Einwohner zu ermuntern
pflegt.

Abermals erhub sich die zürnende Stimme und
mit den Flüchen die sie voransendete fast zugleich
traf der Besitzer dieser Stimme, ein wohlbeleibter
Mann in grüner Jagd-Pekesche ein, offenbar ent-
schlossen, seine frühere Drohung wahr zu machen und
den Trommler am Gehör zu beschädigen. Als er
Anton erblickte, stutzte er und fragte: "Herr Jesus,
wo kommen Sie denn her?"

Dieselbe Frage wag' ich Jhnen vorzulegen. Ein
Wanderer an und für sich scheint mir weniger merk-

Jetzt machte der Weg eine Biegung. — Hier
muͤſſen ſie ſtehen — bei Gott, da ſeh’ ich die Trommel.

Das hatte ſeine Richtigkeit. Eine Trommel hing
vor Anton. Doch nicht an einem lebendigen Men-
ſchen. Eine große Trommel an den duͤrren Aſt eines
krummen, halbverwitterten Baumſtammes aufge-
haͤngt. Auf dem zur Erde geſenkten Stamme ſaß
— ein Haſe. Wie dieſer Anton erblickte, fing er auf’s
Neue zu trommeln an, heftiger denn vorher; ſeine
beiden Vorderlaͤufe arbeiteten mit unerhoͤrter Fertig-
keit und zwar gab er fuͤr den Augenblick das Allarm-
Signal zum Beſten, womit man bei naͤchtlichen
Feuersbruͤnſten ſchlafende Einwohner zu ermuntern
pflegt.

Abermals erhub ſich die zuͤrnende Stimme und
mit den Fluͤchen die ſie voranſendete faſt zugleich
traf der Beſitzer dieſer Stimme, ein wohlbeleibter
Mann in gruͤner Jagd-Pekeſche ein, offenbar ent-
ſchloſſen, ſeine fruͤhere Drohung wahr zu machen und
den Trommler am Gehoͤr zu beſchaͤdigen. Als er
Anton erblickte, ſtutzte er und fragte: „Herr Jeſus,
wo kommen Sie denn her?“

Dieſelbe Frage wag’ ich Jhnen vorzulegen. Ein
Wanderer an und fuͤr ſich ſcheint mir weniger merk-

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[98/0102] Jetzt machte der Weg eine Biegung. — Hier muͤſſen ſie ſtehen — bei Gott, da ſeh’ ich die Trommel. Das hatte ſeine Richtigkeit. Eine Trommel hing vor Anton. Doch nicht an einem lebendigen Men- ſchen. Eine große Trommel an den duͤrren Aſt eines krummen, halbverwitterten Baumſtammes aufge- haͤngt. Auf dem zur Erde geſenkten Stamme ſaß — ein Haſe. Wie dieſer Anton erblickte, fing er auf’s Neue zu trommeln an, heftiger denn vorher; ſeine beiden Vorderlaͤufe arbeiteten mit unerhoͤrter Fertig- keit und zwar gab er fuͤr den Augenblick das Allarm- Signal zum Beſten, womit man bei naͤchtlichen Feuersbruͤnſten ſchlafende Einwohner zu ermuntern pflegt. Abermals erhub ſich die zuͤrnende Stimme und mit den Fluͤchen die ſie voranſendete faſt zugleich traf der Beſitzer dieſer Stimme, ein wohlbeleibter Mann in gruͤner Jagd-Pekeſche ein, offenbar ent- ſchloſſen, ſeine fruͤhere Drohung wahr zu machen und den Trommler am Gehoͤr zu beſchaͤdigen. Als er Anton erblickte, ſtutzte er und fragte: „Herr Jeſus, wo kommen Sie denn her?“ Dieſelbe Frage wag’ ich Jhnen vorzulegen. Ein Wanderer an und fuͤr ſich ſcheint mir weniger merk-

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/102>, abgerufen am 28.11.2024.