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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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ter gegen unseren Cirkus gehalten, macht mir den
Eindruck eines Heiligthumes. Mit welcher Andacht
lauschen da gebildete Zuhörer den schönen Worten
und Handlungen, die bestimmt sind, sie zu erheben,
zu belehren. Und wie erhaben ist die Bestimmung eines
solchen Menschen, der auf der Bühne steht, um der
Welt darzuthun, daß jede Tugend ihren Lohn durch
sich selbst empfängt; daß kein Frevel seiner Strafe
entgeht. Hat es nicht auf mich gewirkt, wie Gottes-
dienst, als der geringgeschätzte, mit Füßen getretene
kleine Jude zuletzt so groß und herrlich neben den stol-
zen Christen stand, daß sogar der aufgeblasene Kom-
merzienrath sich vor ihm und seinem Edelmuth beu-
gen mußte? Ach, wie mag einem Menschen zu Muthe
sein, einem Künstler, jenem liebenswürdigen großen
Meister gleich, dessen Hand ich gestern an mein Herz
drückte, wenn er zu sich selbst sagen darf: Du bist es,
durch den solch' erhabene Beispiele gegeben, solche
eindringliche Lehren verkündiget werden? Ha, wie
beneidenswerth ist doch ein Schauspieler gegen nutz-
lose Burschen meiner Art......

Nun entstand eine lange Pause in Anton's Mo-
nologe.

Wenn Du auf einer Fußreise, niedergedrückt und

Die Vagabunden. II. 7

ter gegen unſeren Cirkus gehalten, macht mir den
Eindruck eines Heiligthumes. Mit welcher Andacht
lauſchen da gebildete Zuhoͤrer den ſchoͤnen Worten
und Handlungen, die beſtimmt ſind, ſie zu erheben,
zu belehren. Und wie erhaben iſt die Beſtimmung eines
ſolchen Menſchen, der auf der Buͤhne ſteht, um der
Welt darzuthun, daß jede Tugend ihren Lohn durch
ſich ſelbſt empfaͤngt; daß kein Frevel ſeiner Strafe
entgeht. Hat es nicht auf mich gewirkt, wie Gottes-
dienſt, als der geringgeſchaͤtzte, mit Fuͤßen getretene
kleine Jude zuletzt ſo groß und herrlich neben den ſtol-
zen Chriſten ſtand, daß ſogar der aufgeblaſene Kom-
merzienrath ſich vor ihm und ſeinem Edelmuth beu-
gen mußte? Ach, wie mag einem Menſchen zu Muthe
ſein, einem Kuͤnſtler, jenem liebenswuͤrdigen großen
Meiſter gleich, deſſen Hand ich geſtern an mein Herz
druͤckte, wenn er zu ſich ſelbſt ſagen darf: Du biſt es,
durch den ſolch’ erhabene Beiſpiele gegeben, ſolche
eindringliche Lehren verkuͤndiget werden? Ha, wie
beneidenswerth iſt doch ein Schauſpieler gegen nutz-
loſe Burſchen meiner Art......

Nun entſtand eine lange Pauſe in Anton’s Mo-
nologe.

Wenn Du auf einer Fußreiſe, niedergedruͤckt und

Die Vagabunden. II. 7
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[97/0099] ter gegen unſeren Cirkus gehalten, macht mir den Eindruck eines Heiligthumes. Mit welcher Andacht lauſchen da gebildete Zuhoͤrer den ſchoͤnen Worten und Handlungen, die beſtimmt ſind, ſie zu erheben, zu belehren. Und wie erhaben iſt die Beſtimmung eines ſolchen Menſchen, der auf der Buͤhne ſteht, um der Welt darzuthun, daß jede Tugend ihren Lohn durch ſich ſelbſt empfaͤngt; daß kein Frevel ſeiner Strafe entgeht. Hat es nicht auf mich gewirkt, wie Gottes- dienſt, als der geringgeſchaͤtzte, mit Fuͤßen getretene kleine Jude zuletzt ſo groß und herrlich neben den ſtol- zen Chriſten ſtand, daß ſogar der aufgeblaſene Kom- merzienrath ſich vor ihm und ſeinem Edelmuth beu- gen mußte? Ach, wie mag einem Menſchen zu Muthe ſein, einem Kuͤnſtler, jenem liebenswuͤrdigen großen Meiſter gleich, deſſen Hand ich geſtern an mein Herz druͤckte, wenn er zu ſich ſelbſt ſagen darf: Du biſt es, durch den ſolch’ erhabene Beiſpiele gegeben, ſolche eindringliche Lehren verkuͤndiget werden? Ha, wie beneidenswerth iſt doch ein Schauſpieler gegen nutz- loſe Burſchen meiner Art...... Nun entſtand eine lange Pauſe in Anton’s Mo- nologe. Wenn Du auf einer Fußreiſe, niedergedruͤckt und Die Vagabunden. II. 7

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/99>, abgerufen am 23.11.2024.