Jhrem guten Namen schuldig. Adieu, ohne Adieu! Wir sehen uns bald wieder."
So rasch, Adele?
"Jch liebe die raschen Entschlüsse."
Sie lassen mir nicht Zeit, Jhnen zu danken --
"Sie, mir, Antoine? Wofür? Jch bin es, die Jhnen zu danken hat. Aufgewachsen unter Pferden -- und Menschen, oftmals schlimmer als Pferde; ohne Erziehung, ohne Erkenntniß meiner selbst, hab' ich ein elendes Dasein geführt. Als Kind schon eingeweiht in Alles, was gute Eltern ihren Kindern so lange wie möglich fern halten, lebt' ich ein leichtsinniges Leben, gleich den Andern. Nicht weil es mich reizte, -- nur weil ich es so sah und hörte. Jch fühlte mich nie glücklich. Man fand mich erträglich, man lobte meine Bravour, ich hatte Liebhaber, ich liebte Keinen! Jch schwamm in Ueberfluß, mein Herz blieb leer .... bis ich Sie erblickte. Die Liebe für Sie, eine heilige, reine Liebe, füllte jene Leere eines ganzen nichtigen Lebens aus. Jch bin noch zu jung, Jhre Mutter zu sein; dennoch war etwas von der Liebe einer Mutter in die Empfindung gemischt, die Sie mir gaben. Sie liebten eine Andere. Jch hielt mich fern. Sie wurden betrogen, -- ich machte Sie frei! Vielleicht wär' ich
Jhrem guten Namen ſchuldig. Adieu, ohne Adieu! Wir ſehen uns bald wieder.“
So raſch, Adele?
„Jch liebe die raſchen Entſchluͤſſe.“
Sie laſſen mir nicht Zeit, Jhnen zu danken —
„Sie, mir, Antoine? Wofuͤr? Jch bin es, die Jhnen zu danken hat. Aufgewachſen unter Pferden — und Menſchen, oftmals ſchlimmer als Pferde; ohne Erziehung, ohne Erkenntniß meiner ſelbſt, hab’ ich ein elendes Daſein gefuͤhrt. Als Kind ſchon eingeweiht in Alles, was gute Eltern ihren Kindern ſo lange wie moͤglich fern halten, lebt’ ich ein leichtſinniges Leben, gleich den Andern. Nicht weil es mich reizte, — nur weil ich es ſo ſah und hoͤrte. Jch fuͤhlte mich nie gluͤcklich. Man fand mich ertraͤglich, man lobte meine Bravour, ich hatte Liebhaber, ich liebte Keinen! Jch ſchwamm in Ueberfluß, mein Herz blieb leer .... bis ich Sie erblickte. Die Liebe fuͤr Sie, eine heilige, reine Liebe, fuͤllte jene Leere eines ganzen nichtigen Lebens aus. Jch bin noch zu jung, Jhre Mutter zu ſein; dennoch war etwas von der Liebe einer Mutter in die Empfindung gemiſcht, die Sie mir gaben. Sie liebten eine Andere. Jch hielt mich fern. Sie wurden betrogen, — ich machte Sie frei! Vielleicht waͤr’ ich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0092"n="90"/>
Jhrem guten Namen ſchuldig. Adieu, ohne Adieu!<lb/>
Wir ſehen uns bald wieder.“</p><lb/><p>So raſch, Adele?</p><lb/><p>„Jch liebe die raſchen Entſchluͤſſe.“</p><lb/><p>Sie laſſen mir nicht Zeit, Jhnen zu danken —</p><lb/><p>„Sie, <hirendition="#g">mir,</hi> Antoine? Wofuͤr? Jch bin es, die<lb/><hirendition="#g">Jhnen</hi> zu danken hat. Aufgewachſen unter Pferden<lb/>— und Menſchen, oftmals ſchlimmer als Pferde; ohne<lb/>
Erziehung, ohne Erkenntniß meiner ſelbſt, hab’ ich ein<lb/>
elendes Daſein gefuͤhrt. Als Kind ſchon eingeweiht<lb/>
in Alles, was gute Eltern ihren Kindern ſo lange wie<lb/>
moͤglich fern halten, lebt’ ich ein leichtſinniges Leben,<lb/>
gleich den Andern. Nicht weil es mich reizte, —<lb/>
nur weil ich es ſo ſah und hoͤrte. Jch fuͤhlte mich nie<lb/>
gluͤcklich. Man fand mich ertraͤglich, man lobte meine<lb/>
Bravour, ich hatte Liebhaber, ich liebte Keinen! Jch<lb/>ſchwamm in Ueberfluß, mein Herz blieb leer .... bis<lb/>
ich Sie erblickte. Die Liebe fuͤr Sie, eine heilige,<lb/>
reine Liebe, fuͤllte jene Leere eines ganzen nichtigen<lb/>
Lebens aus. Jch bin noch zu jung, Jhre Mutter zu<lb/>ſein; dennoch war etwas von der Liebe einer Mutter<lb/>
in die Empfindung gemiſcht, die Sie mir gaben. Sie<lb/>
liebten eine Andere. Jch hielt mich fern. Sie wurden<lb/>
betrogen, — ich machte Sie frei! Vielleicht waͤr’ ich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[90/0092]
Jhrem guten Namen ſchuldig. Adieu, ohne Adieu!
Wir ſehen uns bald wieder.“
So raſch, Adele?
„Jch liebe die raſchen Entſchluͤſſe.“
Sie laſſen mir nicht Zeit, Jhnen zu danken —
„Sie, mir, Antoine? Wofuͤr? Jch bin es, die
Jhnen zu danken hat. Aufgewachſen unter Pferden
— und Menſchen, oftmals ſchlimmer als Pferde; ohne
Erziehung, ohne Erkenntniß meiner ſelbſt, hab’ ich ein
elendes Daſein gefuͤhrt. Als Kind ſchon eingeweiht
in Alles, was gute Eltern ihren Kindern ſo lange wie
moͤglich fern halten, lebt’ ich ein leichtſinniges Leben,
gleich den Andern. Nicht weil es mich reizte, —
nur weil ich es ſo ſah und hoͤrte. Jch fuͤhlte mich nie
gluͤcklich. Man fand mich ertraͤglich, man lobte meine
Bravour, ich hatte Liebhaber, ich liebte Keinen! Jch
ſchwamm in Ueberfluß, mein Herz blieb leer .... bis
ich Sie erblickte. Die Liebe fuͤr Sie, eine heilige,
reine Liebe, fuͤllte jene Leere eines ganzen nichtigen
Lebens aus. Jch bin noch zu jung, Jhre Mutter zu
ſein; dennoch war etwas von der Liebe einer Mutter
in die Empfindung gemiſcht, die Sie mir gaben. Sie
liebten eine Andere. Jch hielt mich fern. Sie wurden
betrogen, — ich machte Sie frei! Vielleicht waͤr’ ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/92>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.