und diese nimmt immer mehr überhand, je mehr die Schranken fallen, welche sonst den "Komödianten" vom Leben trennten, -- eine Neigung, die lediglich aus Langerweile, innerer Hohlheit, dummer Ober- flächlichkeit, geistiger Armuth entspringt. Jm Kaffee- hause, ihrer hohen Schule; bei'm Billard, oder Spiel- tisch: ihren Kathedern, aufgewachsen, suchen jene Tagediebe unter den Schauspielern nichts, als privi- legirten Müßiggang, gedankenlose Lüderlichkeit, fades Kulissengeträtsch und Kuppelei. Ohne Begeisterung für die Kunst, ja ohne Theilnahme dafür, gehen sie nur auf die handwerksmäßige Erbärmlichkeit ein, die von jeder Kunst unzertrennlich, bei Ausübung der theatralischen gerade auf's Widrigste hervortritt. Die verbrüdernden Zunftverhältnisse ehemaliger wandern- der Truppen haben aufgehört, so weit dieselben noch für's Ensemble, für's gemeinsame Wirken nützlich werden konnten. Sie sind leider in voller Geltung geblieben für Alles was Gemeinheit, rohe Gesinnung, Lumperei heißt. Und deshalb behaupte ich: wer viel mit Theaterpersonen umherzieht, ohne für Poesie und Kunst zu schwärmen; wer eben nur mit ihnen kneipen, leben, lieben, hassen, lästern, verleumden,
und dieſe nimmt immer mehr uͤberhand, je mehr die Schranken fallen, welche ſonſt den „Komoͤdianten“ vom Leben trennten, — eine Neigung, die lediglich aus Langerweile, innerer Hohlheit, dummer Ober- flaͤchlichkeit, geiſtiger Armuth entſpringt. Jm Kaffee- hauſe, ihrer hohen Schule; bei’m Billard, oder Spiel- tiſch: ihren Kathedern, aufgewachſen, ſuchen jene Tagediebe unter den Schauſpielern nichts, als privi- legirten Muͤßiggang, gedankenloſe Luͤderlichkeit, fades Kuliſſengetraͤtſch und Kuppelei. Ohne Begeiſterung fuͤr die Kunſt, ja ohne Theilnahme dafuͤr, gehen ſie nur auf die handwerksmaͤßige Erbaͤrmlichkeit ein, die von jeder Kunſt unzertrennlich, bei Ausuͤbung der theatraliſchen gerade auf’s Widrigſte hervortritt. Die verbruͤdernden Zunftverhaͤltniſſe ehemaliger wandern- der Truppen haben aufgehoͤrt, ſo weit dieſelben noch fuͤr’s Enſemble, fuͤr’s gemeinſame Wirken nuͤtzlich werden konnten. Sie ſind leider in voller Geltung geblieben fuͤr Alles was Gemeinheit, rohe Geſinnung, Lumperei heißt. Und deshalb behaupte ich: wer viel mit Theaterperſonen umherzieht, ohne fuͤr Poeſie und Kunſt zu ſchwaͤrmen; wer eben nur mit ihnen kneipen, leben, lieben, haſſen, laͤſtern, verleumden,
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und dieſe nimmt immer mehr uͤberhand, je mehr die
Schranken fallen, welche ſonſt den „Komoͤdianten“
vom Leben trennten, — eine Neigung, die lediglich
aus Langerweile, innerer Hohlheit, dummer Ober-
flaͤchlichkeit, geiſtiger Armuth entſpringt. Jm Kaffee-
hauſe, ihrer hohen Schule; bei’m Billard, oder Spiel-
tiſch: ihren Kathedern, aufgewachſen, ſuchen jene
Tagediebe unter den Schauſpielern nichts, als privi-
legirten Muͤßiggang, gedankenloſe Luͤderlichkeit, fades
Kuliſſengetraͤtſch und Kuppelei. Ohne Begeiſterung
fuͤr die Kunſt, ja ohne Theilnahme dafuͤr, gehen ſie
nur auf die handwerksmaͤßige Erbaͤrmlichkeit ein, die
von jeder Kunſt unzertrennlich, bei Ausuͤbung der
theatraliſchen gerade auf’s Widrigſte hervortritt. Die
verbruͤdernden Zunftverhaͤltniſſe ehemaliger wandern-
der Truppen haben aufgehoͤrt, ſo weit dieſelben noch
fuͤr’s Enſemble, fuͤr’s gemeinſame Wirken nuͤtzlich
werden konnten. Sie ſind leider in voller Geltung
geblieben fuͤr Alles was Gemeinheit, rohe Geſinnung,
Lumperei heißt. Und deshalb behaupte ich: wer viel
mit Theaterperſonen umherzieht, ohne fuͤr Poeſie
und Kunſt zu ſchwaͤrmen; wer eben nur mit ihnen
kneipen, leben, lieben, haſſen, laͤſtern, verleumden,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/89>, abgerufen am 24.11.2024.
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