Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

ner, Schüler, Böheim, Tilly, Scholz und anderer
theatralischer Vagabunden in meinem Herzen nach-
klingen!? Wär' ich nicht zu dem Volke gehörig gewe-
sen, welches im Großen und Allgemeinen das Vaga-
bundenthum für die ganze Erdkugel gepachtet zu haben
scheint, -- (zum Volke der Juden, meine ich) --
ich würde vielleicht der Arzeneikunde entsprungen sein,
um auf der Bühne mein Unheil zu versuchen. Das
Vorurtheil ward mein Retter. Dennoch ging ich
fleißig mit Schauspielern um und habe diesem Um-
gange viel zu verdanken; ja, wäre mir auch nichts
davon verblieben, als die Erinnerung, die mich wun-
dersam frisch erhalten für Alles, was groß und schön
bleibt im Gebiete jener phantastischen Kulissen-Welt.
Dabei bin ich doch ein solider Arzt geworden, der
seine Kranken ganz erträglich behandelt, wie Figura
zeigt. Meinem Jugend-Umgang zum Trotz! Solchen
Umgang hat ja auch seine Philister-Mitwelt dem
großen Gotthold Ephraim Lessing vorgeworfen, --
während die Nachwelt gerade demselben Umgang Werke
zuschreiben muß, die derohne wahrscheinlich nicht ent-
standen wären. Das ist denn die Lichtseite. Aber
auf der Schattenseite erblicken wir die Neigung junger
Männer, sich mit Schauspielern umherzutreiben, --

ner, Schuͤler, Boͤheim, Tilly, Scholz und anderer
theatraliſcher Vagabunden in meinem Herzen nach-
klingen!? Waͤr’ ich nicht zu dem Volke gehoͤrig gewe-
ſen, welches im Großen und Allgemeinen das Vaga-
bundenthum fuͤr die ganze Erdkugel gepachtet zu haben
ſcheint, — (zum Volke der Juden, meine ich) —
ich wuͤrde vielleicht der Arzeneikunde entſprungen ſein,
um auf der Buͤhne mein Unheil zu verſuchen. Das
Vorurtheil ward mein Retter. Dennoch ging ich
fleißig mit Schauſpielern um und habe dieſem Um-
gange viel zu verdanken; ja, waͤre mir auch nichts
davon verblieben, als die Erinnerung, die mich wun-
derſam friſch erhalten fuͤr Alles, was groß und ſchoͤn
bleibt im Gebiete jener phantaſtiſchen Kuliſſen-Welt.
Dabei bin ich doch ein ſolider Arzt geworden, der
ſeine Kranken ganz ertraͤglich behandelt, wie Figura
zeigt. Meinem Jugend-Umgang zum Trotz! Solchen
Umgang hat ja auch ſeine Philiſter-Mitwelt dem
großen Gotthold Ephraim Leſſing vorgeworfen, —
waͤhrend die Nachwelt gerade demſelben Umgang Werke
zuſchreiben muß, die derohne wahrſcheinlich nicht ent-
ſtanden waͤren. Das iſt denn die Lichtſeite. Aber
auf der Schattenſeite erblicken wir die Neigung junger
Maͤnner, ſich mit Schauſpielern umherzutreiben, —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0088" n="86"/>
ner, Schu&#x0364;ler, Bo&#x0364;heim, Tilly, Scholz und anderer<lb/>
theatrali&#x017F;cher Vagabunden in meinem Herzen nach-<lb/>
klingen!? Wa&#x0364;r&#x2019; ich nicht zu dem Volke geho&#x0364;rig gewe-<lb/>
&#x017F;en, welches im Großen und Allgemeinen das Vaga-<lb/>
bundenthum fu&#x0364;r die ganze Erdkugel gepachtet zu haben<lb/>
&#x017F;cheint, &#x2014; (zum Volke der Juden, meine ich) &#x2014;<lb/>
ich wu&#x0364;rde vielleicht der Arzeneikunde ent&#x017F;prungen &#x017F;ein,<lb/>
um auf der Bu&#x0364;hne mein Unheil zu ver&#x017F;uchen. Das<lb/>
Vorurtheil ward mein Retter. Dennoch ging ich<lb/>
fleißig mit Schau&#x017F;pielern um und habe die&#x017F;em Um-<lb/>
gange viel zu verdanken; ja, wa&#x0364;re mir auch nichts<lb/>
davon verblieben, als die Erinnerung, die mich wun-<lb/>
der&#x017F;am fri&#x017F;ch erhalten fu&#x0364;r Alles, was groß und &#x017F;cho&#x0364;n<lb/>
bleibt im Gebiete jener phanta&#x017F;ti&#x017F;chen Kuli&#x017F;&#x017F;en-Welt.<lb/>
Dabei bin ich doch ein &#x017F;olider Arzt geworden, der<lb/>
&#x017F;eine Kranken ganz ertra&#x0364;glich behandelt, wie Figura<lb/>
zeigt. Meinem Jugend-Umgang zum Trotz! Solchen<lb/>
Umgang hat ja auch &#x017F;eine Phili&#x017F;ter-Mitwelt dem<lb/>
großen Gotthold Ephraim Le&#x017F;&#x017F;ing vorgeworfen, &#x2014;<lb/>
wa&#x0364;hrend die Nachwelt gerade dem&#x017F;elben Umgang Werke<lb/>
zu&#x017F;chreiben muß, die derohne wahr&#x017F;cheinlich nicht ent-<lb/>
&#x017F;tanden wa&#x0364;ren. Das i&#x017F;t denn die Licht&#x017F;eite. Aber<lb/>
auf der Schatten&#x017F;eite erblicken wir die Neigung junger<lb/>
Ma&#x0364;nner, &#x017F;ich mit Schau&#x017F;pielern umherzutreiben, &#x2014;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0088] ner, Schuͤler, Boͤheim, Tilly, Scholz und anderer theatraliſcher Vagabunden in meinem Herzen nach- klingen!? Waͤr’ ich nicht zu dem Volke gehoͤrig gewe- ſen, welches im Großen und Allgemeinen das Vaga- bundenthum fuͤr die ganze Erdkugel gepachtet zu haben ſcheint, — (zum Volke der Juden, meine ich) — ich wuͤrde vielleicht der Arzeneikunde entſprungen ſein, um auf der Buͤhne mein Unheil zu verſuchen. Das Vorurtheil ward mein Retter. Dennoch ging ich fleißig mit Schauſpielern um und habe dieſem Um- gange viel zu verdanken; ja, waͤre mir auch nichts davon verblieben, als die Erinnerung, die mich wun- derſam friſch erhalten fuͤr Alles, was groß und ſchoͤn bleibt im Gebiete jener phantaſtiſchen Kuliſſen-Welt. Dabei bin ich doch ein ſolider Arzt geworden, der ſeine Kranken ganz ertraͤglich behandelt, wie Figura zeigt. Meinem Jugend-Umgang zum Trotz! Solchen Umgang hat ja auch ſeine Philiſter-Mitwelt dem großen Gotthold Ephraim Leſſing vorgeworfen, — waͤhrend die Nachwelt gerade demſelben Umgang Werke zuſchreiben muß, die derohne wahrſcheinlich nicht ent- ſtanden waͤren. Das iſt denn die Lichtſeite. Aber auf der Schattenſeite erblicken wir die Neigung junger Maͤnner, ſich mit Schauſpielern umherzutreiben, —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/88
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/88>, abgerufen am 25.11.2024.