Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite
Vierunddreißigstes Kapitel.

Ueber den Umgang mit Schauspielern. -- Adele reiset ab.

"Giebt es viele solche Schauspieler?" fragte
am nächsten Tage Anton seinen Arzt.

Es kommt darauf an, wie die Frage gestellt wird,
erwiederte Dieser. Der außerordentliche Mensch, den
Sie gestern kennen lernten, bleibt eben auch ein
Mensch und als solcher findet er nicht nur Grenzen
für sein Genie, welche er meiner bescheiden en Ansicht
zu Folge, nicht so häufig überschreiten sollte, als er
thut; -- es geschieht auch sonst von seiner Seite gar
Vieles, diese Grenzen täglich beschränkender zu machen,
weil er förmlich darauf hinarbeitet, seinen Organis-
mus zu zerstören; sich körperlich wie geistig aufzurei-
ben. So jung er noch ist, Sie würden ihn, wenn sie
ihn in mancherlei Darstellungen sehen sollten, zu
denen seine Kräfte nicht mehr ausreichen, für eine
Ruine halten; und noch dazu für die Ruine eines sehr
inkorrekten Gebäudes. Deshalb will ich glauben und
hoffen, daß es in Deutschland an Schauspielern nicht
fehle, die ihn in solchen Rollen zu überbieten vermögen.
Handelt sich's aber um Charaktere, die ihm zusagen,
die ihn ganz erfüllen und von ihm ganz ausgefüllt

Vierunddreißigſtes Kapitel.

Ueber den Umgang mit Schauſpielern. — Adele reiſet ab.

„Giebt es viele ſolche Schauſpieler?“ fragte
am naͤchſten Tage Anton ſeinen Arzt.

Es kommt darauf an, wie die Frage geſtellt wird,
erwiederte Dieſer. Der außerordentliche Menſch, den
Sie geſtern kennen lernten, bleibt eben auch ein
Menſch und als ſolcher findet er nicht nur Grenzen
fuͤr ſein Genie, welche er meiner beſcheiden en Anſicht
zu Folge, nicht ſo haͤufig uͤberſchreiten ſollte, als er
thut; — es geſchieht auch ſonſt von ſeiner Seite gar
Vieles, dieſe Grenzen taͤglich beſchraͤnkender zu machen,
weil er foͤrmlich darauf hinarbeitet, ſeinen Organis-
mus zu zerſtoͤren; ſich koͤrperlich wie geiſtig aufzurei-
ben. So jung er noch iſt, Sie wuͤrden ihn, wenn ſie
ihn in mancherlei Darſtellungen ſehen ſollten, zu
denen ſeine Kraͤfte nicht mehr ausreichen, fuͤr eine
Ruine halten; und noch dazu fuͤr die Ruine eines ſehr
inkorrekten Gebaͤudes. Deshalb will ich glauben und
hoffen, daß es in Deutſchland an Schauſpielern nicht
fehle, die ihn in ſolchen Rollen zu uͤberbieten vermoͤgen.
Handelt ſich’s aber um Charaktere, die ihm zuſagen,
die ihn ganz erfuͤllen und von ihm ganz ausgefuͤllt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0084" n="82"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Vierunddreißig&#x017F;tes Kapitel.</hi> </head><lb/>
        <argument>
          <p> <hi rendition="#c">Ueber den Umgang mit Schau&#x017F;pielern. &#x2014; Adele rei&#x017F;et ab.</hi> </p>
        </argument><lb/>
        <p>&#x201E;Giebt es viele <hi rendition="#g">&#x017F;olche</hi> Schau&#x017F;pieler?&#x201C; fragte<lb/>
am na&#x0364;ch&#x017F;ten Tage Anton &#x017F;einen Arzt.</p><lb/>
        <p>Es kommt darauf an, wie die Frage ge&#x017F;tellt wird,<lb/>
erwiederte Die&#x017F;er. Der außerordentliche Men&#x017F;ch, den<lb/>
Sie ge&#x017F;tern kennen lernten, bleibt eben auch ein<lb/>
Men&#x017F;ch und als &#x017F;olcher findet er nicht nur Grenzen<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ein Genie, welche er meiner be&#x017F;cheiden en An&#x017F;icht<lb/>
zu Folge, nicht &#x017F;o ha&#x0364;ufig u&#x0364;ber&#x017F;chreiten &#x017F;ollte, als er<lb/>
thut; &#x2014; es ge&#x017F;chieht auch &#x017F;on&#x017F;t von &#x017F;einer Seite gar<lb/>
Vieles, die&#x017F;e Grenzen ta&#x0364;glich be&#x017F;chra&#x0364;nkender zu machen,<lb/>
weil er fo&#x0364;rmlich darauf hinarbeitet, &#x017F;einen Organis-<lb/>
mus zu zer&#x017F;to&#x0364;ren; &#x017F;ich ko&#x0364;rperlich wie gei&#x017F;tig aufzurei-<lb/>
ben. So jung er noch i&#x017F;t, Sie wu&#x0364;rden ihn, wenn &#x017F;ie<lb/>
ihn in mancherlei Dar&#x017F;tellungen &#x017F;ehen &#x017F;ollten, zu<lb/>
denen &#x017F;eine Kra&#x0364;fte nicht mehr ausreichen, fu&#x0364;r eine<lb/>
Ruine halten; und noch dazu fu&#x0364;r die Ruine eines &#x017F;ehr<lb/>
inkorrekten Geba&#x0364;udes. Deshalb will ich glauben und<lb/>
hoffen, daß es in Deut&#x017F;chland an Schau&#x017F;pielern nicht<lb/>
fehle, die ihn in &#x017F;olchen Rollen zu u&#x0364;berbieten vermo&#x0364;gen.<lb/>
Handelt &#x017F;ich&#x2019;s aber um Charaktere, die ihm zu&#x017F;agen,<lb/>
die ihn ganz erfu&#x0364;llen und von ihm ganz ausgefu&#x0364;llt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0084] Vierunddreißigſtes Kapitel. Ueber den Umgang mit Schauſpielern. — Adele reiſet ab. „Giebt es viele ſolche Schauſpieler?“ fragte am naͤchſten Tage Anton ſeinen Arzt. Es kommt darauf an, wie die Frage geſtellt wird, erwiederte Dieſer. Der außerordentliche Menſch, den Sie geſtern kennen lernten, bleibt eben auch ein Menſch und als ſolcher findet er nicht nur Grenzen fuͤr ſein Genie, welche er meiner beſcheiden en Anſicht zu Folge, nicht ſo haͤufig uͤberſchreiten ſollte, als er thut; — es geſchieht auch ſonſt von ſeiner Seite gar Vieles, dieſe Grenzen taͤglich beſchraͤnkender zu machen, weil er foͤrmlich darauf hinarbeitet, ſeinen Organis- mus zu zerſtoͤren; ſich koͤrperlich wie geiſtig aufzurei- ben. So jung er noch iſt, Sie wuͤrden ihn, wenn ſie ihn in mancherlei Darſtellungen ſehen ſollten, zu denen ſeine Kraͤfte nicht mehr ausreichen, fuͤr eine Ruine halten; und noch dazu fuͤr die Ruine eines ſehr inkorrekten Gebaͤudes. Deshalb will ich glauben und hoffen, daß es in Deutſchland an Schauſpielern nicht fehle, die ihn in ſolchen Rollen zu uͤberbieten vermoͤgen. Handelt ſich’s aber um Charaktere, die ihm zuſagen, die ihn ganz erfuͤllen und von ihm ganz ausgefuͤllt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/84
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/84>, abgerufen am 25.11.2024.