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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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Teufelskerl, dem zu Ehren er hier ist; dem zu Ehren
und zu Liebe er die Gemeinheiten, an denen es oft
nicht fehlt, überhören will.

"Warum schwitzt aber der Kleine gewissermaßen
in der Hölle?" fragte Anton mitleidsvoll.

Der Arzt entgegnete: Erstens und zunächst weil
er, wie ich gründlich weiß, an einer unheilbaren
Krankheit leidet, vor der Gott Jeden bewahren wolle,
indem sie ein recht artiger Vorgeschmack von Hölle
und Zubehör sein mag: die Rückenmarkschwindsucht!
Zweitens weil er in lauter Höllenspuck, Zauberer-
Wirthschaft und Teufels-Phantasieen lebt, webt und
dichtet. Die modernen Leute und Weisen unserer
Zeit finden das hochpoetisch. Jch, der ich noch aus
der älteren Zeit und Schule herstamme, verstehe weder
das Entzücken der Leser, noch die Absichten des Ver-
fassers, -- der mich übrigens nicht leiden kann, weil
er mit Juden-Haß kokettirt. Aber das macht nichts.
Von uns Alten ist keine Rede und die Gegenwart hat
Recht. Er, sehen Sie Antoine, er ist so eigentlich das
Centrum dieses excentrischen Kreises, den man freilich
nicht Kreis nennen sollte, denn die Rundung fehlt ihm
und man stößt sich an seine scharfen Ecken, sobald
man zu nahe kommt. Jch besuche ihn dennoch bis-

Teufelskerl, dem zu Ehren er hier iſt; dem zu Ehren
und zu Liebe er die Gemeinheiten, an denen es oft
nicht fehlt, uͤberhoͤren will.

„Warum ſchwitzt aber der Kleine gewiſſermaßen
in der Hoͤlle?“ fragte Anton mitleidsvoll.

Der Arzt entgegnete: Erſtens und zunaͤchſt weil
er, wie ich gruͤndlich weiß, an einer unheilbaren
Krankheit leidet, vor der Gott Jeden bewahren wolle,
indem ſie ein recht artiger Vorgeſchmack von Hoͤlle
und Zubehoͤr ſein mag: die Ruͤckenmarkſchwindſucht!
Zweitens weil er in lauter Hoͤllenſpuck, Zauberer-
Wirthſchaft und Teufels-Phantaſieen lebt, webt und
dichtet. Die modernen Leute und Weiſen unſerer
Zeit finden das hochpoetiſch. Jch, der ich noch aus
der aͤlteren Zeit und Schule herſtamme, verſtehe weder
das Entzuͤcken der Leſer, noch die Abſichten des Ver-
faſſers, — der mich uͤbrigens nicht leiden kann, weil
er mit Juden-Haß kokettirt. Aber das macht nichts.
Von uns Alten iſt keine Rede und die Gegenwart hat
Recht. Er, ſehen Sie Antoine, er iſt ſo eigentlich das
Centrum dieſes excentriſchen Kreiſes, den man freilich
nicht Kreis nennen ſollte, denn die Rundung fehlt ihm
und man ſtoͤßt ſich an ſeine ſcharfen Ecken, ſobald
man zu nahe kommt. Jch beſuche ihn dennoch bis-

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[75/0077] Teufelskerl, dem zu Ehren er hier iſt; dem zu Ehren und zu Liebe er die Gemeinheiten, an denen es oft nicht fehlt, uͤberhoͤren will. „Warum ſchwitzt aber der Kleine gewiſſermaßen in der Hoͤlle?“ fragte Anton mitleidsvoll. Der Arzt entgegnete: Erſtens und zunaͤchſt weil er, wie ich gruͤndlich weiß, an einer unheilbaren Krankheit leidet, vor der Gott Jeden bewahren wolle, indem ſie ein recht artiger Vorgeſchmack von Hoͤlle und Zubehoͤr ſein mag: die Ruͤckenmarkſchwindſucht! Zweitens weil er in lauter Hoͤllenſpuck, Zauberer- Wirthſchaft und Teufels-Phantaſieen lebt, webt und dichtet. Die modernen Leute und Weiſen unſerer Zeit finden das hochpoetiſch. Jch, der ich noch aus der aͤlteren Zeit und Schule herſtamme, verſtehe weder das Entzuͤcken der Leſer, noch die Abſichten des Ver- faſſers, — der mich uͤbrigens nicht leiden kann, weil er mit Juden-Haß kokettirt. Aber das macht nichts. Von uns Alten iſt keine Rede und die Gegenwart hat Recht. Er, ſehen Sie Antoine, er iſt ſo eigentlich das Centrum dieſes excentriſchen Kreiſes, den man freilich nicht Kreis nennen ſollte, denn die Rundung fehlt ihm und man ſtoͤßt ſich an ſeine ſcharfen Ecken, ſobald man zu nahe kommt. Jch beſuche ihn dennoch bis-

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/77>, abgerufen am 26.11.2024.