Weinstube zu folgen. Jn Unkosten will ich mich Jhrethalb nicht stecken, denn ich setze Jhnen nichts vor, als ein Glas Selterser Wasser mit Zucker; Wein erlaubt Jhnen Jhr Arzt zur Nacht noch nicht. Dafür sollen Sie eine Ueberraschung genießen, die ich Jhnen vorbehalte. Nur Eines versprechen Sie mir: daß Sie kein deutsches Wort vorbringen und sich anstellen wollen, als wären Sie ein Stockfranzose.
Sie fanden den Weinschank in der Nähe des Schauspielhauses. Der Arzt begab sich mit seinem Gast in eine Ecke des nicht allzugeräumigen Gemaches, wo sie die Nachbartische am Besten übersehen konnten. Es waren um diese Stunde nur wenig Gäste gegen- wärtig: einige stumme alte Herren; auch diese ver- loren sich, bei der Kunde: das Theater sei geschlossen; wie wenn sie einer bald zu erwartenden Schaar von späteren Stammgästen Platz machen wollten, mit denen zusammen zu treffen, sie nicht viel Lust bezeig- ten. Solche fanden sich denn auch bald in lauten Gesprächen ein, um sich häuslich niederzulassen. Mehrere grüßten den Arzt, indem sie ihn einluden, in ihre Nähe zu rücken, wobei er entschuldigend auf seinen jungen Gast wies, um welchen sich zu beküm- mern Keiner Zeit fand. Denn sie waren alle heftig
Weinſtube zu folgen. Jn Unkoſten will ich mich Jhrethalb nicht ſtecken, denn ich ſetze Jhnen nichts vor, als ein Glas Selterſer Waſſer mit Zucker; Wein erlaubt Jhnen Jhr Arzt zur Nacht noch nicht. Dafuͤr ſollen Sie eine Ueberraſchung genießen, die ich Jhnen vorbehalte. Nur Eines verſprechen Sie mir: daß Sie kein deutſches Wort vorbringen und ſich anſtellen wollen, als waͤren Sie ein Stockfranzoſe.
Sie fanden den Weinſchank in der Naͤhe des Schauſpielhauſes. Der Arzt begab ſich mit ſeinem Gaſt in eine Ecke des nicht allzugeraͤumigen Gemaches, wo ſie die Nachbartiſche am Beſten uͤberſehen konnten. Es waren um dieſe Stunde nur wenig Gaͤſte gegen- waͤrtig: einige ſtumme alte Herren; auch dieſe ver- loren ſich, bei der Kunde: das Theater ſei geſchloſſen; wie wenn ſie einer bald zu erwartenden Schaar von ſpaͤteren Stammgaͤſten Platz machen wollten, mit denen zuſammen zu treffen, ſie nicht viel Luſt bezeig- ten. Solche fanden ſich denn auch bald in lauten Geſpraͤchen ein, um ſich haͤuslich niederzulaſſen. Mehrere gruͤßten den Arzt, indem ſie ihn einluden, in ihre Naͤhe zu ruͤcken, wobei er entſchuldigend auf ſeinen jungen Gaſt wies, um welchen ſich zu bekuͤm- mern Keiner Zeit fand. Denn ſie waren alle heftig
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Weinſtube zu folgen. Jn Unkoſten will ich mich
Jhrethalb nicht ſtecken, denn ich ſetze Jhnen nichts
vor, als ein Glas Selterſer Waſſer mit Zucker; Wein
erlaubt Jhnen Jhr Arzt zur Nacht noch nicht. Dafuͤr
ſollen Sie eine Ueberraſchung genießen, die ich Jhnen
vorbehalte. Nur Eines verſprechen Sie mir: daß
Sie kein deutſches Wort vorbringen und ſich anſtellen
wollen, als waͤren Sie ein Stockfranzoſe.
Sie fanden den Weinſchank in der Naͤhe des
Schauſpielhauſes. Der Arzt begab ſich mit ſeinem
Gaſt in eine Ecke des nicht allzugeraͤumigen Gemaches,
wo ſie die Nachbartiſche am Beſten uͤberſehen konnten.
Es waren um dieſe Stunde nur wenig Gaͤſte gegen-
waͤrtig: einige ſtumme alte Herren; auch dieſe ver-
loren ſich, bei der Kunde: das Theater ſei geſchloſſen;
wie wenn ſie einer bald zu erwartenden Schaar von
ſpaͤteren Stammgaͤſten Platz machen wollten, mit
denen zuſammen zu treffen, ſie nicht viel Luſt bezeig-
ten. Solche fanden ſich denn auch bald in lauten
Geſpraͤchen ein, um ſich haͤuslich niederzulaſſen.
Mehrere gruͤßten den Arzt, indem ſie ihn einluden,
in ihre Naͤhe zu ruͤcken, wobei er entſchuldigend auf
ſeinen jungen Gaſt wies, um welchen ſich zu bekuͤm-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/74>, abgerufen am 26.11.2024.
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