Thier falsches Tempo; dreimal mußte Anton still halten und die Musik von Neuem beginnen lassen. Das machte ihn immer verdrüßlicher. Er fing an, in sein Pferd hineinzuschlagen, wodurch er ihm den Verdruß mittheilte, ohne sich davon zu befreien, und wie ein Unglück niemals allein kommt, mußte gerade an jenem Abend eine sehr alberne Dame, in der ersten Reihe sitzend, sich unendlich viel mit ihrer Schönheit zu thun machen; an ihrer Kleidung rücken, zupfen, putzen, wie schon manche Frauenzimmer nicht anders können, in der Hoffnung sich bemerkbar zu machen. Zum Ueberflusse warf sie, weil ihr die unausgesetzten Toiletten-Bestrebungen eingeheizt, ihr rothes Umschlagetuch über die Barriere und zwar in dem Augenblick, wo Anton sein Geigen-Solo begin- nend, so nahe bei ihrem Sitze war, daß der Kopf des Pferdes fast daran streifte. Der Fuchs über diesen unerwarteten Anblick erschreckt, prallte wild zurück, Anton stürzte rücklinks herab, schlug mit dem Hinter- kopf gegen einen Pfosten und wurde bewußtlos vom Schauplatz getragen, was soviel Antheil und Bedauern erregte, daß die eitle Närrin Zeit gewann zu entschlüpfen, bevor noch der Unwille der Anwe- senden sich gegen sie äußern konnte.
Thier falſches Tempo; dreimal mußte Anton ſtill halten und die Muſik von Neuem beginnen laſſen. Das machte ihn immer verdruͤßlicher. Er fing an, in ſein Pferd hineinzuſchlagen, wodurch er ihm den Verdruß mittheilte, ohne ſich davon zu befreien, und wie ein Ungluͤck niemals allein kommt, mußte gerade an jenem Abend eine ſehr alberne Dame, in der erſten Reihe ſitzend, ſich unendlich viel mit ihrer Schoͤnheit zu thun machen; an ihrer Kleidung ruͤcken, zupfen, putzen, wie ſchon manche Frauenzimmer nicht anders koͤnnen, in der Hoffnung ſich bemerkbar zu machen. Zum Ueberfluſſe warf ſie, weil ihr die unausgeſetzten Toiletten-Beſtrebungen eingeheizt, ihr rothes Umſchlagetuch uͤber die Barrière und zwar in dem Augenblick, wo Anton ſein Geigen-Solo begin- nend, ſo nahe bei ihrem Sitze war, daß der Kopf des Pferdes faſt daran ſtreifte. Der Fuchs uͤber dieſen unerwarteten Anblick erſchreckt, prallte wild zuruͤck, Anton ſtuͤrzte ruͤcklinks herab, ſchlug mit dem Hinter- kopf gegen einen Pfoſten und wurde bewußtlos vom Schauplatz getragen, was ſoviel Antheil und Bedauern erregte, daß die eitle Naͤrrin Zeit gewann zu entſchluͤpfen, bevor noch der Unwille der Anwe- ſenden ſich gegen ſie aͤußern konnte.
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Thier falſches Tempo; dreimal mußte Anton ſtill
halten und die Muſik von Neuem beginnen laſſen.
Das machte ihn immer verdruͤßlicher. Er fing an,
in ſein Pferd hineinzuſchlagen, wodurch er ihm den
Verdruß mittheilte, ohne ſich davon zu befreien, und
wie ein Ungluͤck niemals allein kommt, mußte gerade
an jenem Abend eine ſehr alberne Dame, in der
erſten Reihe ſitzend, ſich unendlich viel mit ihrer
Schoͤnheit zu thun machen; an ihrer Kleidung ruͤcken,
zupfen, putzen, wie ſchon manche Frauenzimmer
nicht anders koͤnnen, in der Hoffnung ſich bemerkbar
zu machen. Zum Ueberfluſſe warf ſie, weil ihr die
unausgeſetzten Toiletten-Beſtrebungen eingeheizt, ihr
rothes Umſchlagetuch uͤber die Barrière und zwar in
dem Augenblick, wo Anton ſein Geigen-Solo begin-
nend, ſo nahe bei ihrem Sitze war, daß der Kopf des
Pferdes faſt daran ſtreifte. Der Fuchs uͤber dieſen
unerwarteten Anblick erſchreckt, prallte wild zuruͤck,
Anton ſtuͤrzte ruͤcklinks herab, ſchlug mit dem Hinter-
kopf gegen einen Pfoſten und wurde bewußtlos
vom Schauplatz getragen, was ſoviel Antheil und
Bedauern erregte, daß die eitle Naͤrrin Zeit gewann
zu entſchluͤpfen, bevor noch der Unwille der Anwe-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/58>, abgerufen am 27.11.2024.
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