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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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dazu, nur von jener Frau und ihrer Erscheinung aus-
gehend. Und was konnte das sein?

Jhre Beziehung zu Carino? Unmöglich.

Jhre Kunstfertigkeit? Alle Achtung dafür, doch
das ist es auch nicht.

Jhre Schönheit? Mein Gott, die gehört vergan-
genen Zeiten an.

Was, um Alles in der Welt zieht mich denn zu
ihr hin? Was empfand ich, da sie mit dem Hute des
Bettlers in Händen, mir geg[en]über stand? Eine
unerklärliche Wehmuth. Einen innigen Drang, sie
zu fragen wer sie sei. Weshalb sie mich so forschend
betrachtete? Nur der Verstorbenen Z[ut]ritt; nur das
Zeichen, welches diese mir gab ihr zu folgen, lenkte
meine Aufmerksamkeit von der Jtalienerin ab.

Doch genau die nämlichen Empfindungen wal-
teten wieder in mir vor, da ich die Frau auf der
Scene sah und erkannte. Diese Empfindungen auch
waren es, die mich Theodor's übermüthige Rohheit,
welche ich bei jeder andern Gelegenheit vielleicht mit
einem harten Worte gerügt haben würde, hier so
wüthend rächen hieß. Jn diesen Dingen liegt mehr
als Zufall. Es knüpft sich ja in unerforschlicher Ver-

dazu, nur von jener Frau und ihrer Erſcheinung aus-
gehend. Und was konnte das ſein?

Jhre Beziehung zu Carino? Unmoͤglich.

Jhre Kunſtfertigkeit? Alle Achtung dafuͤr, doch
das iſt es auch nicht.

Jhre Schoͤnheit? Mein Gott, die gehoͤrt vergan-
genen Zeiten an.

Was, um Alles in der Welt zieht mich denn zu
ihr hin? Was empfand ich, da ſie mit dem Hute des
Bettlers in Haͤnden, mir geg[en]uͤber ſtand? Eine
unerklaͤrliche Wehmuth. Einen innigen Drang, ſie
zu fragen wer ſie ſei. Weshalb ſie mich ſo forſchend
betrachtete? Nur der Verſtorbenen Z[ut]ritt; nur das
Zeichen, welches dieſe mir gab ihr zu folgen, lenkte
meine Aufmerkſamkeit von der Jtalienerin ab.

Doch genau die naͤmlichen Empfindungen wal-
teten wieder in mir vor, da ich die Frau auf der
Scene ſah und erkannte. Dieſe Empfindungen auch
waren es, die mich Theodor’s uͤbermuͤthige Rohheit,
welche ich bei jeder andern Gelegenheit vielleicht mit
einem harten Worte geruͤgt haben wuͤrde, hier ſo
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als Zufall. Es knuͤpft ſich ja in unerforſchlicher Ver-

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[332/0334] dazu, nur von jener Frau und ihrer Erſcheinung aus- gehend. Und was konnte das ſein? Jhre Beziehung zu Carino? Unmoͤglich. Jhre Kunſtfertigkeit? Alle Achtung dafuͤr, doch das iſt es auch nicht. Jhre Schoͤnheit? Mein Gott, die gehoͤrt vergan- genen Zeiten an. Was, um Alles in der Welt zieht mich denn zu ihr hin? Was empfand ich, da ſie mit dem Hute des Bettlers in Haͤnden, mir gegenuͤber ſtand? Eine unerklaͤrliche Wehmuth. Einen innigen Drang, ſie zu fragen wer ſie ſei. Weshalb ſie mich ſo forſchend betrachtete? Nur der Verſtorbenen Zutritt; nur das Zeichen, welches dieſe mir gab ihr zu folgen, lenkte meine Aufmerkſamkeit von der Jtalienerin ab. Doch genau die naͤmlichen Empfindungen wal- teten wieder in mir vor, da ich die Frau auf der Scene ſah und erkannte. Dieſe Empfindungen auch waren es, die mich Theodor’s uͤbermuͤthige Rohheit, welche ich bei jeder andern Gelegenheit vielleicht mit einem harten Worte geruͤgt haben wuͤrde, hier ſo wuͤthend raͤchen hieß. Jn dieſen Dingen liegt mehr als Zufall. Es knuͤpft ſich ja in unerforſchlicher Ver-

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/334>, abgerufen am 27.11.2024.