ihm genagt wie wenn sie sein Lebensmark aufzehren wolle, schien, auf eine ihm selbst unerklärliche Weise, erloschen. Erloschen und ausgebrannt, abgestorben von dem Augenblicke an, wo er aus Theodor's Hotel fliehend, seinen deutschen Namen, wie von den Dächern herab hinter sich her tönend, vernommen. Er vermochte nun schon an die braune Bärbel zu denken, ohne jene nagende, lüsterne Mar- ter zu empfinden, die ihn seither schmerzvoll und dennoch unwiderstehlich angetrieben, zu ihr zu eilen, um in ihren Armen Linderung zu suchen, oder doch Betäu- bung. Mit solchem Troste schlief er wirklich ein und betrachtete denn auch, da der schönste Sommermorgen aus blauem Himmel strahlte sein gestriges Flehen zu Gott schon halb erfüllt.
Aus dem finstern Traume den er so lange geträumt, der wie der Alp auf ihm gelegen, fühlt er sich wahrlich erweckt. Nur matt, schwach, trotz seines festen Schlafes, abgelebt bis zum Tode. Die Nach- wehen verschwelgter Monate machten sich schon gel- tend, da kaum der wilde Rausch verrauchte, der sie bis jetzt überboten. Was sonst noch kommen sollte, als wohlverdiente Strafe und Buße für den Verrath, den ein irregeleiteter Jüngling an sich selbst, an seiner
ihm genagt wie wenn ſie ſein Lebensmark aufzehren wolle, ſchien, auf eine ihm ſelbſt unerklaͤrliche Weiſe, erloſchen. Erloſchen und ausgebrannt, abgeſtorben von dem Augenblicke an, wo er aus Theodor’s Hôtel fliehend, ſeinen deutſchen Namen, wie von den Daͤchern herab hinter ſich her toͤnend, vernommen. Er vermochte nun ſchon an die braune Baͤrbel zu denken, ohne jene nagende, luͤſterne Mar- ter zu empfinden, die ihn ſeither ſchmerzvoll und dennoch unwiderſtehlich angetrieben, zu ihr zu eilen, um in ihren Armen Linderung zu ſuchen, oder doch Betaͤu- bung. Mit ſolchem Troſte ſchlief er wirklich ein und betrachtete denn auch, da der ſchoͤnſte Sommermorgen aus blauem Himmel ſtrahlte ſein geſtriges Flehen zu Gott ſchon halb erfuͤllt.
Aus dem finſtern Traume den er ſo lange getraͤumt, der wie der Alp auf ihm gelegen, fuͤhlt er ſich wahrlich erweckt. Nur matt, ſchwach, trotz ſeines feſten Schlafes, abgelebt bis zum Tode. Die Nach- wehen verſchwelgter Monate machten ſich ſchon gel- tend, da kaum der wilde Rauſch verrauchte, der ſie bis jetzt uͤberboten. Was ſonſt noch kommen ſollte, als wohlverdiente Strafe und Buße fuͤr den Verrath, den ein irregeleiteter Juͤngling an ſich ſelbſt, an ſeiner
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ihm genagt wie wenn ſie ſein Lebensmark aufzehren
wolle, ſchien, auf eine ihm ſelbſt unerklaͤrliche
Weiſe, erloſchen. Erloſchen und ausgebrannt,
abgeſtorben von dem Augenblicke an, wo er aus
Theodor’s Hôtel fliehend, ſeinen deutſchen Namen,
wie von den Daͤchern herab hinter ſich her toͤnend,
vernommen. Er vermochte nun ſchon an die braune
Baͤrbel zu denken, ohne jene nagende, luͤſterne Mar-
ter zu empfinden, die ihn ſeither ſchmerzvoll und dennoch
unwiderſtehlich angetrieben, zu ihr zu eilen, um in
ihren Armen Linderung zu ſuchen, oder doch Betaͤu-
bung. Mit ſolchem Troſte ſchlief er wirklich ein und
betrachtete denn auch, da der ſchoͤnſte Sommermorgen
aus blauem Himmel ſtrahlte ſein geſtriges Flehen zu
Gott ſchon halb erfuͤllt.
Aus dem finſtern Traume den er ſo lange
getraͤumt, der wie der Alp auf ihm gelegen, fuͤhlt er
ſich wahrlich erweckt. Nur matt, ſchwach, trotz ſeines
feſten Schlafes, abgelebt bis zum Tode. Die Nach-
wehen verſchwelgter Monate machten ſich ſchon gel-
tend, da kaum der wilde Rauſch verrauchte, der ſie
bis jetzt uͤberboten. Was ſonſt noch kommen ſollte,
als wohlverdiente Strafe und Buße fuͤr den Verrath,
den ein irregeleiteter Juͤngling an ſich ſelbſt, an ſeiner
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/327>, abgerufen am 27.11.2024.
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