Wie der Tod den Liebeszauber löset. -- Anton verläßt die Straße d'Enfer und bezieht wiederum seine frühere Wohnung. -- Erinnerung an Signora Carina; diese ist verschwunden. -- Mangel, Hunger, Noth, Krankheit -- Laura.
Anton verfiel in einen tiefen, festen Schlaf, wie er desgleichen nicht genossen seit Bärbels Umgang und seit der dadurch herbeigeführten Verbindung mit Theodor und dessen Genossenschaft. Denn so lange dies Verhältniß bestanden, war unser Freund zwischen Lust und Gram, zwischen Trotz und Reue, zwischen Begier und Abscheu hin und her geworfen zu keiner eigentlichen Ruhe gelangt. Aus dem Tage Nacht machend und umgekehrt, je nachdem sein dissoluter Verkehr, oder die vorsichtig geführte Jntrigue mit Bärbel dies verlangten; dabei in stets wacher Besorg- niß, daß die Lügen und Schwindeleien zu denen er sich hergeben mußte, verrathen werden könnten? blieb er fortdauernd in naturwidriger Aufregung, die ihm jenen sonst besessenen Frieden stärkenden Schlafes raubte. Jetzt schien mit der Gewißheit aller über ihn hereingebrochenen Schmach und Schande die ängstlich-harrende Befürchtung gewichen, und seine qualvolle, zerstörende Leidenschaft für Bärbel, die an
Neunundvierzigſtes Kapitel.
Wie der Tod den Liebeszauber löſet. — Anton verläßt die Straße d’Enfer und bezieht wiederum ſeine frühere Wohnung. — Erinnerung an Signora Carina; dieſe iſt verſchwunden. — Mangel, Hunger, Noth, Krankheit — Laura.
Anton verfiel in einen tiefen, feſten Schlaf, wie er desgleichen nicht genoſſen ſeit Baͤrbels Umgang und ſeit der dadurch herbeigefuͤhrten Verbindung mit Theodor und deſſen Genoſſenſchaft. Denn ſo lange dies Verhaͤltniß beſtanden, war unſer Freund zwiſchen Luſt und Gram, zwiſchen Trotz und Reue, zwiſchen Begier und Abſcheu hin und her geworfen zu keiner eigentlichen Ruhe gelangt. Aus dem Tage Nacht machend und umgekehrt, je nachdem ſein diſſoluter Verkehr, oder die vorſichtig gefuͤhrte Jntrigue mit Baͤrbel dies verlangten; dabei in ſtets wacher Beſorg- niß, daß die Luͤgen und Schwindeleien zu denen er ſich hergeben mußte, verrathen werden koͤnnten? blieb er fortdauernd in naturwidriger Aufregung, die ihm jenen ſonſt beſeſſenen Frieden ſtaͤrkenden Schlafes raubte. Jetzt ſchien mit der Gewißheit aller uͤber ihn hereingebrochenen Schmach und Schande die aͤngſtlich-harrende Befuͤrchtung gewichen, und ſeine qualvolle, zerſtoͤrende Leidenſchaft fuͤr Baͤrbel, die an
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Neunundvierzigſtes Kapitel.
Wie der Tod den Liebeszauber löſet. — Anton verläßt die Straße d’Enfer
und bezieht wiederum ſeine frühere Wohnung. — Erinnerung an Signora
Carina; dieſe iſt verſchwunden. — Mangel, Hunger, Noth, Krankheit — Laura.
Anton verfiel in einen tiefen, feſten Schlaf, wie
er desgleichen nicht genoſſen ſeit Baͤrbels Umgang
und ſeit der dadurch herbeigefuͤhrten Verbindung mit
Theodor und deſſen Genoſſenſchaft. Denn ſo lange
dies Verhaͤltniß beſtanden, war unſer Freund zwiſchen
Luſt und Gram, zwiſchen Trotz und Reue, zwiſchen
Begier und Abſcheu hin und her geworfen zu keiner
eigentlichen Ruhe gelangt. Aus dem Tage Nacht
machend und umgekehrt, je nachdem ſein diſſoluter
Verkehr, oder die vorſichtig gefuͤhrte Jntrigue mit
Baͤrbel dies verlangten; dabei in ſtets wacher Beſorg-
niß, daß die Luͤgen und Schwindeleien zu denen er
ſich hergeben mußte, verrathen werden koͤnnten? blieb
er fortdauernd in naturwidriger Aufregung, die ihm
jenen ſonſt beſeſſenen Frieden ſtaͤrkenden Schlafes
raubte. Jetzt ſchien mit der Gewißheit aller uͤber
ihn hereingebrochenen Schmach und Schande die
aͤngſtlich-harrende Befuͤrchtung gewichen, und ſeine
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/326>, abgerufen am 26.11.2024.
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