Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

bezeichneter Visitenkarten, auf denen zu lesen stand:
Le Baron Antoine de la Vanniere *).

Er mußte hellen Halses auflachen über den Ver-
ein von Schlauheit und Frechheit, der diesen Namen
für ihn erfunden.

Sodann enthüllte er den beigelegten Briefbogen,
der eine bedeutende Summe in Bankbillets enthielt.
Diese schob er, wie etwas Verächtliches, bei Seite.
Der Jnhalt des Schreibens schien ihm ungleich
wichtiger.

Nun, -- murmelte er, -- wenn sie auch ganz
erträglich plaudern gelernt, mit dem Schreiben sieht es
übel aus; ich werde mich auf's Dechiffriren legen
müssen.

Er schloß die Thür, um vor jeder Störung sicher
zu sein, und vertiefte sich in's Lesen.

Der lange Brief, in welchem weder eine zärtliche
Anrede, noch eine Erinnerung an das Vorgefallene,
noch eine Andeutung für künftig, kurz nicht eine Silbe
auf Liebe hinzeigend, zu entdecken war, gab so gedrängt
und bündig zusammengefaßt, wie Frauen selten schrei-
ben, nur die Anweisung, was der neugeadelte Baron

*) Le vannier, der Korbflechter.
19 *

bezeichneter Viſitenkarten, auf denen zu leſen ſtand:
Le Baron Antoine de la Vannière *).

Er mußte hellen Halſes auflachen uͤber den Ver-
ein von Schlauheit und Frechheit, der dieſen Namen
fuͤr ihn erfunden.

Sodann enthuͤllte er den beigelegten Briefbogen,
der eine bedeutende Summe in Bankbillets enthielt.
Dieſe ſchob er, wie etwas Veraͤchtliches, bei Seite.
Der Jnhalt des Schreibens ſchien ihm ungleich
wichtiger.

Nun, — murmelte er, — wenn ſie auch ganz
ertraͤglich plaudern gelernt, mit dem Schreiben ſieht es
uͤbel aus; ich werde mich auf’s Dechiffriren legen
muͤſſen.

Er ſchloß die Thuͤr, um vor jeder Stoͤrung ſicher
zu ſein, und vertiefte ſich in’s Leſen.

Der lange Brief, in welchem weder eine zaͤrtliche
Anrede, noch eine Erinnerung an das Vorgefallene,
noch eine Andeutung fuͤr kuͤnftig, kurz nicht eine Silbe
auf Liebe hinzeigend, zu entdecken war, gab ſo gedraͤngt
und buͤndig zuſammengefaßt, wie Frauen ſelten ſchrei-
ben, nur die Anweiſung, was der neugeadelte Baron

*) Le vannier, der Korbflechter.
19 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0293" n="291"/>
bezeichneter Vi&#x017F;itenkarten, auf denen zu le&#x017F;en &#x017F;tand:<lb/><hi rendition="#aq">Le Baron Antoine de la Vannière</hi> <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">Le vannier,</hi> der Korbflechter.</note>.</p><lb/>
        <p>Er mußte hellen Hal&#x017F;es auflachen u&#x0364;ber den Ver-<lb/>
ein von Schlauheit und Frechheit, der die&#x017F;en Namen<lb/>
fu&#x0364;r ihn erfunden.</p><lb/>
        <p>Sodann enthu&#x0364;llte er den beigelegten Briefbogen,<lb/>
der eine bedeutende Summe in Bankbillets enthielt.<lb/>
Die&#x017F;e &#x017F;chob er, wie etwas Vera&#x0364;chtliches, bei Seite.<lb/>
Der Jnhalt des Schreibens &#x017F;chien ihm ungleich<lb/>
wichtiger.</p><lb/>
        <p>Nun, &#x2014; murmelte er, &#x2014; wenn &#x017F;ie auch ganz<lb/>
ertra&#x0364;glich plaudern gelernt, mit dem Schreiben &#x017F;ieht es<lb/>
u&#x0364;bel aus; ich werde mich auf&#x2019;s Dechiffriren legen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;chloß die Thu&#x0364;r, um vor jeder Sto&#x0364;rung &#x017F;icher<lb/>
zu &#x017F;ein, und vertiefte &#x017F;ich in&#x2019;s Le&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Der lange Brief, in welchem weder eine za&#x0364;rtliche<lb/>
Anrede, noch eine Erinnerung an das Vorgefallene,<lb/>
noch eine Andeutung fu&#x0364;r ku&#x0364;nftig, kurz nicht eine Silbe<lb/>
auf Liebe hinzeigend, zu entdecken war, gab &#x017F;o gedra&#x0364;ngt<lb/>
und bu&#x0364;ndig zu&#x017F;ammengefaßt, wie Frauen &#x017F;elten &#x017F;chrei-<lb/>
ben, nur die Anwei&#x017F;ung, was der neugeadelte Baron<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">19 *</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[291/0293] bezeichneter Viſitenkarten, auf denen zu leſen ſtand: Le Baron Antoine de la Vannière *). Er mußte hellen Halſes auflachen uͤber den Ver- ein von Schlauheit und Frechheit, der dieſen Namen fuͤr ihn erfunden. Sodann enthuͤllte er den beigelegten Briefbogen, der eine bedeutende Summe in Bankbillets enthielt. Dieſe ſchob er, wie etwas Veraͤchtliches, bei Seite. Der Jnhalt des Schreibens ſchien ihm ungleich wichtiger. Nun, — murmelte er, — wenn ſie auch ganz ertraͤglich plaudern gelernt, mit dem Schreiben ſieht es uͤbel aus; ich werde mich auf’s Dechiffriren legen muͤſſen. Er ſchloß die Thuͤr, um vor jeder Stoͤrung ſicher zu ſein, und vertiefte ſich in’s Leſen. Der lange Brief, in welchem weder eine zaͤrtliche Anrede, noch eine Erinnerung an das Vorgefallene, noch eine Andeutung fuͤr kuͤnftig, kurz nicht eine Silbe auf Liebe hinzeigend, zu entdecken war, gab ſo gedraͤngt und buͤndig zuſammengefaßt, wie Frauen ſelten ſchrei- ben, nur die Anweiſung, was der neugeadelte Baron *) Le vannier, der Korbflechter. 19 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/293
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/293>, abgerufen am 24.11.2024.