Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Katze über die Köpfe der Damen welche die vorderen
Plätze einnahmen, in die Manege. Das unglückliche
Thier, dessen Tod für solchen niederträchtigen End-
zweck vorher gewaltsam beabsichtiget worden, hatte
sich, der diesen Geschöpfen eigenthümlichen Lebens-
zähigkeit gemäß, von der ersten Betäubung erholt,
während es im bewußten Futtersack steckte, und suchte
nun, schwer verletzt, aus einigen Wunden blutend,
von Schmerz gequält, im wilden Todeskrampfe mit
seinen scharfen Krallen zu packen, was sich ihm dar-
bot. Der Wurf der es herübergeschleudert war so
geschickt berechnet, daß dieses gemarterte Geschöpf
vor der Stirn des weißen Schimmels, den die Jar-
tour ritt, hängen blieb, wo es sich wüthend mit allen
vier Pfoten anklammerte, des Pferdes Augen ver-
letzte und in dessen Nase verbiß. Der Schimmel,
ein ohnedies ungestümes und gefährliches Thier, --
Dank sei der liebevollen Fürsorge von Madame Ade-
laide, die ihn für Adele ausgewählt! -- that, was
auch ein kindfrommes Schulpferd in solchem Falle
gethan haben würde! Es machte ungeheure Sätze,
schlug vorn und hinten aus, stieg hoch in die Höhe,
daß es sich zu überschlagen drohte, und weder Stall-
meister noch Reitknechte waren rasch genug, einen

Katze uͤber die Koͤpfe der Damen welche die vorderen
Plaͤtze einnahmen, in die Manège. Das ungluͤckliche
Thier, deſſen Tod fuͤr ſolchen niedertraͤchtigen End-
zweck vorher gewaltſam beabſichtiget worden, hatte
ſich, der dieſen Geſchoͤpfen eigenthuͤmlichen Lebens-
zaͤhigkeit gemaͤß, von der erſten Betaͤubung erholt,
waͤhrend es im bewußten Futterſack ſteckte, und ſuchte
nun, ſchwer verletzt, aus einigen Wunden blutend,
von Schmerz gequaͤlt, im wilden Todeskrampfe mit
ſeinen ſcharfen Krallen zu packen, was ſich ihm dar-
bot. Der Wurf der es heruͤbergeſchleudert war ſo
geſchickt berechnet, daß dieſes gemarterte Geſchoͤpf
vor der Stirn des weißen Schimmels, den die Jar-
tour ritt, haͤngen blieb, wo es ſich wuͤthend mit allen
vier Pfoten anklammerte, des Pferdes Augen ver-
letzte und in deſſen Naſe verbiß. Der Schimmel,
ein ohnedies ungeſtuͤmes und gefaͤhrliches Thier, —
Dank ſei der liebevollen Fuͤrſorge von Madame Ade-
laide, die ihn fuͤr Adele ausgewaͤhlt! — that, was
auch ein kindfrommes Schulpferd in ſolchem Falle
gethan haben wuͤrde! Es machte ungeheure Saͤtze,
ſchlug vorn und hinten aus, ſtieg hoch in die Hoͤhe,
daß es ſich zu uͤberſchlagen drohte, und weder Stall-
meiſter noch Reitknechte waren raſch genug, einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0028" n="26"/>
Katze u&#x0364;ber die Ko&#x0364;pfe der Damen welche die vorderen<lb/>
Pla&#x0364;tze einnahmen, in die Man<hi rendition="#aq">è</hi>ge. Das unglu&#x0364;ckliche<lb/>
Thier, de&#x017F;&#x017F;en Tod fu&#x0364;r &#x017F;olchen niedertra&#x0364;chtigen End-<lb/>
zweck vorher gewalt&#x017F;am beab&#x017F;ichtiget worden, hatte<lb/>
&#x017F;ich, der die&#x017F;en Ge&#x017F;cho&#x0364;pfen eigenthu&#x0364;mlichen Lebens-<lb/>
za&#x0364;higkeit gema&#x0364;ß, von der er&#x017F;ten Beta&#x0364;ubung erholt,<lb/>
wa&#x0364;hrend es im bewußten Futter&#x017F;ack &#x017F;teckte, und &#x017F;uchte<lb/>
nun, &#x017F;chwer verletzt, aus einigen Wunden blutend,<lb/>
von Schmerz gequa&#x0364;lt, im wilden Todeskrampfe mit<lb/>
&#x017F;einen &#x017F;charfen Krallen zu packen, was &#x017F;ich ihm dar-<lb/>
bot. Der Wurf der es heru&#x0364;berge&#x017F;chleudert war &#x017F;o<lb/>
ge&#x017F;chickt berechnet, daß die&#x017F;es gemarterte Ge&#x017F;cho&#x0364;pf<lb/>
vor der Stirn des weißen Schimmels, den die Jar-<lb/>
tour ritt, ha&#x0364;ngen blieb, wo es &#x017F;ich wu&#x0364;thend mit allen<lb/>
vier Pfoten anklammerte, des Pferdes Augen ver-<lb/>
letzte und in de&#x017F;&#x017F;en Na&#x017F;e verbiß. Der Schimmel,<lb/>
ein ohnedies unge&#x017F;tu&#x0364;mes und gefa&#x0364;hrliches Thier, &#x2014;<lb/>
Dank &#x017F;ei der liebevollen Fu&#x0364;r&#x017F;orge von Madame Ade-<lb/>
laide, die ihn fu&#x0364;r Adele ausgewa&#x0364;hlt! &#x2014; that, was<lb/>
auch ein kindfrommes Schulpferd in &#x017F;olchem Falle<lb/>
gethan haben wu&#x0364;rde! Es machte ungeheure Sa&#x0364;tze,<lb/>
&#x017F;chlug vorn und hinten aus, &#x017F;tieg hoch in die Ho&#x0364;he,<lb/>
daß es &#x017F;ich zu u&#x0364;ber&#x017F;chlagen drohte, und weder Stall-<lb/>
mei&#x017F;ter noch Reitknechte waren ra&#x017F;ch genug, einen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0028] Katze uͤber die Koͤpfe der Damen welche die vorderen Plaͤtze einnahmen, in die Manège. Das ungluͤckliche Thier, deſſen Tod fuͤr ſolchen niedertraͤchtigen End- zweck vorher gewaltſam beabſichtiget worden, hatte ſich, der dieſen Geſchoͤpfen eigenthuͤmlichen Lebens- zaͤhigkeit gemaͤß, von der erſten Betaͤubung erholt, waͤhrend es im bewußten Futterſack ſteckte, und ſuchte nun, ſchwer verletzt, aus einigen Wunden blutend, von Schmerz gequaͤlt, im wilden Todeskrampfe mit ſeinen ſcharfen Krallen zu packen, was ſich ihm dar- bot. Der Wurf der es heruͤbergeſchleudert war ſo geſchickt berechnet, daß dieſes gemarterte Geſchoͤpf vor der Stirn des weißen Schimmels, den die Jar- tour ritt, haͤngen blieb, wo es ſich wuͤthend mit allen vier Pfoten anklammerte, des Pferdes Augen ver- letzte und in deſſen Naſe verbiß. Der Schimmel, ein ohnedies ungeſtuͤmes und gefaͤhrliches Thier, — Dank ſei der liebevollen Fuͤrſorge von Madame Ade- laide, die ihn fuͤr Adele ausgewaͤhlt! — that, was auch ein kindfrommes Schulpferd in ſolchem Falle gethan haben wuͤrde! Es machte ungeheure Saͤtze, ſchlug vorn und hinten aus, ſtieg hoch in die Hoͤhe, daß es ſich zu uͤberſchlagen drohte, und weder Stall- meiſter noch Reitknechte waren raſch genug, einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/28
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/28>, abgerufen am 11.12.2024.