eignet sich zum Gegenstand einer ausführlichen Schilderung.
Die ganze Tragödie hindurch hatte Anton, mochte er nun wollen oder nicht, an Liebenau und dessen Bewohner, Umgebungen, an Alles denken müssen, was er dort erlebt und empfunden; so lebhaft, daß er kaum Aufmerksamkeit genug sammeln konnte, dem Laufe des dramatischen Gedichtes zu folgen. Dies erschien ihm selbst auffallend. Er forschte nach äußerlichen Ursachen, weil er eine innere nicht zu entdecken vermochte. Zuerst meinte er, vor- nehm lächelnd, es seien die tragischen Schauspieler mit ihrem Gekrächz, die ihn, -- um so mehr, weil sie ein Drama von "Corneille" darstellten, -- an die Krähen des Eichberges mahnten, von dessen Gipfel er zuletzt die Kirchthurmspitze des heimath- lichen Dorfes gesehen. Er wendete sich also zeitweise von der Bühne ab und suchte sich in Betrachtung des versammelten aufmerksamen Publikums eigene Aufmerksamkeit und Sammlung zu verschaffen. Doch das half ihm nichts; verschlimmerte im Gegentheil die Sache. Je öfter seine Augen über die mit schön- geputzten Damen angefüllten Balkon's glitten, desto deutlicher stieg das Liebenauer Herrenhaus sammt
eignet ſich zum Gegenſtand einer ausfuͤhrlichen Schilderung.
Die ganze Tragoͤdie hindurch hatte Anton, mochte er nun wollen oder nicht, an Liebenau und deſſen Bewohner, Umgebungen, an Alles denken muͤſſen, was er dort erlebt und empfunden; ſo lebhaft, daß er kaum Aufmerkſamkeit genug ſammeln konnte, dem Laufe des dramatiſchen Gedichtes zu folgen. Dies erſchien ihm ſelbſt auffallend. Er forſchte nach aͤußerlichen Urſachen, weil er eine innere nicht zu entdecken vermochte. Zuerſt meinte er, vor- nehm laͤchelnd, es ſeien die tragiſchen Schauſpieler mit ihrem Gekraͤchz, die ihn, — um ſo mehr, weil ſie ein Drama von „Corneille“ darſtellten, — an die Kraͤhen des Eichberges mahnten, von deſſen Gipfel er zuletzt die Kirchthurmſpitze des heimath- lichen Dorfes geſehen. Er wendete ſich alſo zeitweiſe von der Buͤhne ab und ſuchte ſich in Betrachtung des verſammelten aufmerkſamen Publikums eigene Aufmerkſamkeit und Sammlung zu verſchaffen. Doch das half ihm nichts; verſchlimmerte im Gegentheil die Sache. Je oͤfter ſeine Augen uͤber die mit ſchoͤn- geputzten Damen angefuͤllten Balkon’s glitten, deſto deutlicher ſtieg das Liebenauer Herrenhaus ſammt
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eignet ſich zum Gegenſtand einer ausfuͤhrlichen
Schilderung.
Die ganze Tragoͤdie hindurch hatte Anton,
mochte er nun wollen oder nicht, an Liebenau und
deſſen Bewohner, Umgebungen, an Alles denken
muͤſſen, was er dort erlebt und empfunden; ſo
lebhaft, daß er kaum Aufmerkſamkeit genug ſammeln
konnte, dem Laufe des dramatiſchen Gedichtes zu
folgen. Dies erſchien ihm ſelbſt auffallend. Er
forſchte nach aͤußerlichen Urſachen, weil er eine innere
nicht zu entdecken vermochte. Zuerſt meinte er, vor-
nehm laͤchelnd, es ſeien die tragiſchen Schauſpieler
mit ihrem Gekraͤchz, die ihn, — um ſo mehr, weil
ſie ein Drama von „Corneille“ darſtellten, — an
die Kraͤhen des Eichberges mahnten, von deſſen
Gipfel er zuletzt die Kirchthurmſpitze des heimath-
lichen Dorfes geſehen. Er wendete ſich alſo zeitweiſe
von der Buͤhne ab und ſuchte ſich in Betrachtung
des verſammelten aufmerkſamen Publikums eigene
Aufmerkſamkeit und Sammlung zu verſchaffen. Doch
das half ihm nichts; verſchlimmerte im Gegentheil
die Sache. Je oͤfter ſeine Augen uͤber die mit ſchoͤn-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/267>, abgerufen am 24.11.2024.
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