seinem Eintritt erfuhr, was ihn mit zauberischem Hoffnungsschimmer dahergelockt, sei ein Jrrlicht gewesen; sei als solches verloschen .... verschwunden.
Hatte er nicht kindisch gewähnt, Adele müsse ihm begegnen, sobald er nur einmal durch die Haupt- straßen der Stadt gehe, und müsse ihm entgegenrufen: Sieh' da, mein Freund, Gott grüße Dich; nun ist Alles gut, weil Du nur hier bist!
Ach, es rief ihn niemand freudig an; er begegnete nur fremden Gesichtern; er verzehrte sich in deutschem Heimweh!
Doch je tiefer Heimweh, Sehnsucht, Wehmuth ihm die Brust durchdrangen, desto trotziger suchte er sich anzustellen. Mit verbissener Wuth ging er spott- lächelnd einher, als woll' er es dieser sündhaften Stadt entgelten lassen, daß sie einen Engel wie Adele nicht in ihren Mauren einschließe. Nur leider war er es allein, der dabei zu kurz kam; denn die Stadt machte sich nicht viel aus seinem Groll; sie bemerkte ihn gar nicht. Sie fuhr fort, Paris zu sein.
Das von ihm geführte Tagebuch aus jener Zeit ist reich an Ergießungen seines Unwillens, die durch ihre Naivetät komisch werden. Er meinte die Stadt zu strafen, daß er von ihren Merkwürdigkeiten keine
ſeinem Eintritt erfuhr, was ihn mit zauberiſchem Hoffnungsſchimmer dahergelockt, ſei ein Jrrlicht geweſen; ſei als ſolches verloſchen .... verſchwunden.
Hatte er nicht kindiſch gewaͤhnt, Adele muͤſſe ihm begegnen, ſobald er nur einmal durch die Haupt- ſtraßen der Stadt gehe, und muͤſſe ihm entgegenrufen: Sieh’ da, mein Freund, Gott gruͤße Dich; nun iſt Alles gut, weil Du nur hier biſt!
Ach, es rief ihn niemand freudig an; er begegnete nur fremden Geſichtern; er verzehrte ſich in deutſchem Heimweh!
Doch je tiefer Heimweh, Sehnſucht, Wehmuth ihm die Bruſt durchdrangen, deſto trotziger ſuchte er ſich anzuſtellen. Mit verbiſſener Wuth ging er ſpott- laͤchelnd einher, als woll’ er es dieſer ſuͤndhaften Stadt entgelten laſſen, daß ſie einen Engel wie Adele nicht in ihren Mauren einſchließe. Nur leider war er es allein, der dabei zu kurz kam; denn die Stadt machte ſich nicht viel aus ſeinem Groll; ſie bemerkte ihn gar nicht. Sie fuhr fort, Paris zu ſein.
Das von ihm gefuͤhrte Tagebuch aus jener Zeit iſt reich an Ergießungen ſeines Unwillens, die durch ihre Naivetaͤt komiſch werden. Er meinte die Stadt zu ſtrafen, daß er von ihren Merkwuͤrdigkeiten keine
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ſeinem Eintritt erfuhr, was ihn mit zauberiſchem
Hoffnungsſchimmer dahergelockt, ſei ein Jrrlicht
geweſen; ſei als ſolches verloſchen .... verſchwunden.
Hatte er nicht kindiſch gewaͤhnt, Adele muͤſſe ihm
begegnen, ſobald er nur einmal durch die Haupt-
ſtraßen der Stadt gehe, und muͤſſe ihm entgegenrufen:
Sieh’ da, mein Freund, Gott gruͤße Dich; nun iſt
Alles gut, weil Du nur hier biſt!
Ach, es rief ihn niemand freudig an; er begegnete
nur fremden Geſichtern; er verzehrte ſich in deutſchem
Heimweh!
Doch je tiefer Heimweh, Sehnſucht, Wehmuth
ihm die Bruſt durchdrangen, deſto trotziger ſuchte er
ſich anzuſtellen. Mit verbiſſener Wuth ging er ſpott-
laͤchelnd einher, als woll’ er es dieſer ſuͤndhaften
Stadt entgelten laſſen, daß ſie einen Engel wie Adele
nicht in ihren Mauren einſchließe. Nur leider war
er es allein, der dabei zu kurz kam; denn die Stadt
machte ſich nicht viel aus ſeinem Groll; ſie bemerkte
ihn gar nicht. Sie fuhr fort, Paris zu ſein.
Das von ihm gefuͤhrte Tagebuch aus jener Zeit
iſt reich an Ergießungen ſeines Unwillens, die durch
ihre Naivetaͤt komiſch werden. Er meinte die Stadt
zu ſtrafen, daß er von ihren Merkwuͤrdigkeiten keine
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/265>, abgerufen am 24.11.2024.
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