Paris endlich zu erreichen. Heute Nacht brech' ich auf.
Sie zürnen mir; ich seh' es; aber ich seh' es mit Freuden, obgleich es mir Schmerz macht. Jch seh' es mit Freuden, weil ich weiß, daß sie mich segnen werden, wenn ich fern bin. Ja, Sie werden mich segnen -- und Gott segne Sie! --
Er bot ihr seinen Arm, um sie heim zu führen.
Als sie schon einige Schritte gethan, zog sie ihren Arm zurück, wendete sich noch einmal nach Des- demona's Lager und als ob die bleiche Wachsfigur ein Heiligenbild, sie selbst aber eine fromm-katholische Jreländerin sei, warf sie sich vor Othello's reiner Gattin nieder auf die Kniee und mit heftigem Schluchzen brach sie in deren himmlisch-süße Worte aus:
"Beshrew me, if I would do such a wrong the whole world*)."
Dann ließ sie sich von ihm geleiten.
Sie sprachen nicht mehr miteinander.
Jn ihrer Wohnung angelangt, entließ sie ihn vor Vlämert's Zimmer, reichte ihm die Hand, die er küßte und lispelte ihm zu: "Gottes Lohn über Sie!"
*)"Jch will des Todes sein, thät ich solch' Unrecht. Auch um die ganze Welt."Othello, A. IV. Sc. 3.
Paris endlich zu erreichen. Heute Nacht brech’ ich auf.
Sie zuͤrnen mir; ich ſeh’ es; aber ich ſeh’ es mit Freuden, obgleich es mir Schmerz macht. Jch ſeh’ es mit Freuden, weil ich weiß, daß ſie mich ſegnen werden, wenn ich fern bin. Ja, Sie werden mich ſegnen — und Gott ſegne Sie! —
Er bot ihr ſeinen Arm, um ſie heim zu fuͤhren.
Als ſie ſchon einige Schritte gethan, zog ſie ihren Arm zuruͤck, wendete ſich noch einmal nach Des- demona’s Lager und als ob die bleiche Wachsfigur ein Heiligenbild, ſie ſelbſt aber eine fromm-katholiſche Jrelaͤnderin ſei, warf ſie ſich vor Othello’s reiner Gattin nieder auf die Kniee und mit heftigem Schluchzen brach ſie in deren himmliſch-ſuͤße Worte aus:
„Beshrew me, if I would do such a wrong the whole world*).“
Dann ließ ſie ſich von ihm geleiten.
Sie ſprachen nicht mehr miteinander.
Jn ihrer Wohnung angelangt, entließ ſie ihn vor Vlaͤmert’s Zimmer, reichte ihm die Hand, die er kuͤßte und lispelte ihm zu: „Gottes Lohn uͤber Sie!“
*)„Jch will des Todes ſein, thät ich ſolch’ Unrecht. Auch um die ganze Welt.“Othello, A. IV. Sc. 3.
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Paris endlich zu erreichen. Heute Nacht brech’
ich auf.
Sie zuͤrnen mir; ich ſeh’ es; aber ich ſeh’ es mit
Freuden, obgleich es mir Schmerz macht. Jch ſeh’
es mit Freuden, weil ich weiß, daß ſie mich ſegnen
werden, wenn ich fern bin. Ja, Sie werden mich
ſegnen — und Gott ſegne Sie! —
Er bot ihr ſeinen Arm, um ſie heim zu fuͤhren.
Als ſie ſchon einige Schritte gethan, zog ſie ihren
Arm zuruͤck, wendete ſich noch einmal nach Des-
demona’s Lager und als ob die bleiche Wachsfigur
ein Heiligenbild, ſie ſelbſt aber eine fromm-katholiſche
Jrelaͤnderin ſei, warf ſie ſich vor Othello’s reiner
Gattin nieder auf die Kniee und mit heftigem
Schluchzen brach ſie in deren himmliſch-ſuͤße Worte aus:
„Beshrew me, if I would do such a wrong the whole
world *).“
Dann ließ ſie ſich von ihm geleiten.
Sie ſprachen nicht mehr miteinander.
Jn ihrer Wohnung angelangt, entließ ſie ihn vor
Vlaͤmert’s Zimmer, reichte ihm die Hand, die er
kuͤßte und lispelte ihm zu: „Gottes Lohn uͤber Sie!“
*) „Jch will des Todes ſein, thät ich ſolch’ Unrecht.
Auch um die ganze Welt.“ Othello, A. IV. Sc. 3.
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/260>, abgerufen am 24.07.2024.
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