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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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gar kein deutsches Wort zu kennen. Nun hat sie
auch keinen weiblichen Umgang; stirbt, sammt ihrer
Lektüre fast vor Ueberdruß und langer Weile. Jung
ist sie. Die kalten puritanischen Formen in denen sie
aufgewachsen, passen nicht zu ihrer gesunden, kräftigen,
lebenslustigen Natur. Da hat sich eine Widersetzlich-
keit des Fleisches eingestellt. Und ich Sohn des
Verderbens bin eben a propos gekommen, die Rebel-
lion zu nähren, ihr zum Vorwand zu dienen. Jch
bin der einzige junge Mann mit dem sie in Verkehr
steht; mit dem sie reden kann. -- Nun ist das Elend
fertig! Jhr, wie gesagt, kann man's nicht gar so
übel nehmen. Der Gatte trägt einen großen Theil
der Schuld -- ohne seine Schuld.

Jch aber, für meine Person, wäre ein nieder-
trächtiger Schurke, wenn ich auch nur das Geringste
unternähme, um des rechtschaffenen Mannes Ver-
trauen, so er in mich setzt, zu täuschen; ja, es wäre
desto schändlicher von mir, weil ich für Käthchen
nichts empfinde; weil sie mir gleichgültig ist. Das
heißt, -- lügen will ich nicht, und am Wenigsten vor
mir selbst, -- sie gefällt mir sehr gut; ich müßte blind
sein, wenn mir ein junges, blühendes, schönes Weib
nicht gefiele?! Jn gewisser Beziehung ist sie mir also

gar kein deutſches Wort zu kennen. Nun hat ſie
auch keinen weiblichen Umgang; ſtirbt, ſammt ihrer
Lektuͤre faſt vor Ueberdruß und langer Weile. Jung
iſt ſie. Die kalten puritaniſchen Formen in denen ſie
aufgewachſen, paſſen nicht zu ihrer geſunden, kraͤftigen,
lebensluſtigen Natur. Da hat ſich eine Widerſetzlich-
keit des Fleiſches eingeſtellt. Und ich Sohn des
Verderbens bin eben à propos gekommen, die Rebel-
lion zu naͤhren, ihr zum Vorwand zu dienen. Jch
bin der einzige junge Mann mit dem ſie in Verkehr
ſteht; mit dem ſie reden kann. — Nun iſt das Elend
fertig! Jhr, wie geſagt, kann man’s nicht gar ſo
uͤbel nehmen. Der Gatte traͤgt einen großen Theil
der Schuld — ohne ſeine Schuld.

Jch aber, fuͤr meine Perſon, waͤre ein nieder-
traͤchtiger Schurke, wenn ich auch nur das Geringſte
unternaͤhme, um des rechtſchaffenen Mannes Ver-
trauen, ſo er in mich ſetzt, zu taͤuſchen; ja, es waͤre
deſto ſchaͤndlicher von mir, weil ich fuͤr Kaͤthchen
nichts empfinde; weil ſie mir gleichguͤltig iſt. Das
heißt, — luͤgen will ich nicht, und am Wenigſten vor
mir ſelbſt, — ſie gefaͤllt mir ſehr gut; ich muͤßte blind
ſein, wenn mir ein junges, bluͤhendes, ſchoͤnes Weib
nicht gefiele?! Jn gewiſſer Beziehung iſt ſie mir alſo

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[242/0244] gar kein deutſches Wort zu kennen. Nun hat ſie auch keinen weiblichen Umgang; ſtirbt, ſammt ihrer Lektuͤre faſt vor Ueberdruß und langer Weile. Jung iſt ſie. Die kalten puritaniſchen Formen in denen ſie aufgewachſen, paſſen nicht zu ihrer geſunden, kraͤftigen, lebensluſtigen Natur. Da hat ſich eine Widerſetzlich- keit des Fleiſches eingeſtellt. Und ich Sohn des Verderbens bin eben à propos gekommen, die Rebel- lion zu naͤhren, ihr zum Vorwand zu dienen. Jch bin der einzige junge Mann mit dem ſie in Verkehr ſteht; mit dem ſie reden kann. — Nun iſt das Elend fertig! Jhr, wie geſagt, kann man’s nicht gar ſo uͤbel nehmen. Der Gatte traͤgt einen großen Theil der Schuld — ohne ſeine Schuld. Jch aber, fuͤr meine Perſon, waͤre ein nieder- traͤchtiger Schurke, wenn ich auch nur das Geringſte unternaͤhme, um des rechtſchaffenen Mannes Ver- trauen, ſo er in mich ſetzt, zu taͤuſchen; ja, es waͤre deſto ſchaͤndlicher von mir, weil ich fuͤr Kaͤthchen nichts empfinde; weil ſie mir gleichguͤltig iſt. Das heißt, — luͤgen will ich nicht, und am Wenigſten vor mir ſelbſt, — ſie gefaͤllt mir ſehr gut; ich muͤßte blind ſein, wenn mir ein junges, bluͤhendes, ſchoͤnes Weib nicht gefiele?! Jn gewiſſer Beziehung iſt ſie mir alſo

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/244>, abgerufen am 23.11.2024.