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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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breit auf den grünen Teppich geschrieben, -- oder
gedruckt. Jn meiner tödtlichen Verlegenheit stammelte
ich eine Art von Auseinandersetzung, durch welche ich
andeuten wollte, das Thier habe meinen Namen schon
verschiedene Male zusammengestellt und werde sich
dessen jetzt bei meinem Anblicke wieder erinnert haben.
diese freilich abgeschmackte Entschuldigung für den
noch abgeschmackteren Spaß des Schweizers gab ich
in meinem kühnsten Englisch zum Besten, ohne doch
dabei die Augen aufzuschlagen. Käthchen jedoch
erwiederte darauf: dieser Vogel trifft die Wahrheit
besser, als mancher Mensch.

Jn solch' verhängnißvollem Augenblicke bat ich
Gott nur im Stillen, er möge Sorge dafür getragen
haben, daß der Schweizer auch sicher und gewiß nicht
eine Silbe verstehe, von der Muttersprache dieser mir
unbegreiflichen Frau.

Wir gingen bald. Jch schützte vor, es sei die
höchste Zeit, unsere Bude zu öffnen. Beinah' mußt'
ich unhöflich werden, um Madame zum Aufbruch zu
bewegen. Sie wollte durchaus noch länger verwei-
len und neue Buchstaben-Räthsel schmieden.

Auf dem Heimwege bemerkt' ich, daß sie Thränen
auf den Wangen hatte. Jch wünschte, ich hoffte,

breit auf den gruͤnen Teppich geſchrieben, — oder
gedruckt. Jn meiner toͤdtlichen Verlegenheit ſtammelte
ich eine Art von Auseinanderſetzung, durch welche ich
andeuten wollte, das Thier habe meinen Namen ſchon
verſchiedene Male zuſammengeſtellt und werde ſich
deſſen jetzt bei meinem Anblicke wieder erinnert haben.
dieſe freilich abgeſchmackte Entſchuldigung fuͤr den
noch abgeſchmackteren Spaß des Schweizers gab ich
in meinem kuͤhnſten Engliſch zum Beſten, ohne doch
dabei die Augen aufzuſchlagen. Kaͤthchen jedoch
erwiederte darauf: dieſer Vogel trifft die Wahrheit
beſſer, als mancher Menſch.

Jn ſolch’ verhaͤngnißvollem Augenblicke bat ich
Gott nur im Stillen, er moͤge Sorge dafuͤr getragen
haben, daß der Schweizer auch ſicher und gewiß nicht
eine Silbe verſtehe, von der Mutterſprache dieſer mir
unbegreiflichen Frau.

Wir gingen bald. Jch ſchuͤtzte vor, es ſei die
hoͤchſte Zeit, unſere Bude zu oͤffnen. Beinah’ mußt’
ich unhoͤflich werden, um Madame zum Aufbruch zu
bewegen. Sie wollte durchaus noch laͤnger verwei-
len und neue Buchſtaben-Raͤthſel ſchmieden.

Auf dem Heimwege bemerkt’ ich, daß ſie Thraͤnen
auf den Wangen hatte. Jch wuͤnſchte, ich hoffte,

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[239/0241] breit auf den gruͤnen Teppich geſchrieben, — oder gedruckt. Jn meiner toͤdtlichen Verlegenheit ſtammelte ich eine Art von Auseinanderſetzung, durch welche ich andeuten wollte, das Thier habe meinen Namen ſchon verſchiedene Male zuſammengeſtellt und werde ſich deſſen jetzt bei meinem Anblicke wieder erinnert haben. dieſe freilich abgeſchmackte Entſchuldigung fuͤr den noch abgeſchmackteren Spaß des Schweizers gab ich in meinem kuͤhnſten Engliſch zum Beſten, ohne doch dabei die Augen aufzuſchlagen. Kaͤthchen jedoch erwiederte darauf: dieſer Vogel trifft die Wahrheit beſſer, als mancher Menſch. Jn ſolch’ verhaͤngnißvollem Augenblicke bat ich Gott nur im Stillen, er moͤge Sorge dafuͤr getragen haben, daß der Schweizer auch ſicher und gewiß nicht eine Silbe verſtehe, von der Mutterſprache dieſer mir unbegreiflichen Frau. Wir gingen bald. Jch ſchuͤtzte vor, es ſei die hoͤchſte Zeit, unſere Bude zu oͤffnen. Beinah’ mußt’ ich unhoͤflich werden, um Madame zum Aufbruch zu bewegen. Sie wollte durchaus noch laͤnger verwei- len und neue Buchſtaben-Raͤthſel ſchmieden. Auf dem Heimwege bemerkt’ ich, daß ſie Thraͤnen auf den Wangen hatte. Jch wuͤnſchte, ich hoffte,

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/241>, abgerufen am 27.07.2024.