Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

prix konserviren und deshalb sollte nun die Jartour
vertrieben werden. Händel mit ihr zu beginnen,
einen Zwist herbeizuführen und dann den Gemahl
zu zwingen, daß er sie entlasse, -- das war unaus-
führbar. Wer konnte dieses sanfte, nachgiebige,
duldsame Geschöpf, -- auf dem Rosse eine Löwin,
auf dem Boden ein Lamm, -- dazu verleiten, in
einen Skandal einzugehen? Hätte Madame ihr ohne
Ursach eine Ohrfeige auf die rechte Wange gegeben,
Adele würde in Demuth die linke auch dargeboten
haben. Folglich wurde beschlossen, daß Engagement
ihr zu verleiden: sie sollte kündigen; sie sollte
erklären, daß sie scheiden wolle!

Dazu benützte Madame Adelaide ihre dienstwil-
lige Klike und Klake; blieb, um dieselbe aufzumun-
tern schon acht Tage vor Ausführung der verächtlichen
Kabale stundenlang im Gedräng ihrer albernen Kur-
macher stehen, jeder Zudringlichkeit Stich haltend;
zum größten Aerger Bajazzo's, der verschiedenemale,
wie aus Versehen, seine spitze, graue Hanswurst-
Mütze, einem Donnerkeil ähnlich dazwischen schleu-
derte. Während dieser acht Tage vernahm man
jedesmal wenn die Jartour den Cirkus verlassend,
ihre Verbeugung machte, anhaltendes Zischen und

prix konſerviren und deshalb ſollte nun die Jartour
vertrieben werden. Haͤndel mit ihr zu beginnen,
einen Zwiſt herbeizufuͤhren und dann den Gemahl
zu zwingen, daß er ſie entlaſſe, — das war unaus-
fuͤhrbar. Wer konnte dieſes ſanfte, nachgiebige,
duldſame Geſchoͤpf, — auf dem Roſſe eine Loͤwin,
auf dem Boden ein Lamm, — dazu verleiten, in
einen Skandal einzugehen? Haͤtte Madame ihr ohne
Urſach eine Ohrfeige auf die rechte Wange gegeben,
Adele wuͤrde in Demuth die linke auch dargeboten
haben. Folglich wurde beſchloſſen, daß Engagement
ihr zu verleiden: ſie ſollte kuͤndigen; ſie ſollte
erklaͤren, daß ſie ſcheiden wolle!

Dazu benuͤtzte Madame Adelaide ihre dienſtwil-
lige Klike und Klake; blieb, um dieſelbe aufzumun-
tern ſchon acht Tage vor Ausfuͤhrung der veraͤchtlichen
Kabale ſtundenlang im Gedraͤng ihrer albernen Kur-
macher ſtehen, jeder Zudringlichkeit Stich haltend;
zum groͤßten Aerger Bajazzo’s, der verſchiedenemale,
wie aus Verſehen, ſeine ſpitze, graue Hanswurſt-
Muͤtze, einem Donnerkeil aͤhnlich dazwiſchen ſchleu-
derte. Waͤhrend dieſer acht Tage vernahm man
jedesmal wenn die Jartour den Cirkus verlaſſend,
ihre Verbeugung machte, anhaltendes Ziſchen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#aq"><pb facs="#f0024" n="22"/>
prix</hi> kon&#x017F;erviren und deshalb &#x017F;ollte nun die Jartour<lb/>
vertrieben werden. Ha&#x0364;ndel mit ihr zu beginnen,<lb/>
einen Zwi&#x017F;t herbeizufu&#x0364;hren und dann den Gemahl<lb/>
zu zwingen, daß er &#x017F;ie entla&#x017F;&#x017F;e, &#x2014; das war unaus-<lb/>
fu&#x0364;hrbar. Wer konnte die&#x017F;es &#x017F;anfte, nachgiebige,<lb/>
duld&#x017F;ame Ge&#x017F;cho&#x0364;pf, &#x2014; auf dem Ro&#x017F;&#x017F;e eine Lo&#x0364;win,<lb/>
auf dem Boden ein Lamm, &#x2014; dazu verleiten, in<lb/>
einen Skandal einzugehen? Ha&#x0364;tte Madame ihr ohne<lb/>
Ur&#x017F;ach eine Ohrfeige auf die rechte Wange gegeben,<lb/>
Adele wu&#x0364;rde in Demuth die linke auch dargeboten<lb/>
haben. Folglich wurde be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, daß Engagement<lb/><hi rendition="#g">ihr</hi> zu verleiden: <hi rendition="#g">&#x017F;ie</hi> &#x017F;ollte ku&#x0364;ndigen; &#x017F;ie &#x017F;ollte<lb/>
erkla&#x0364;ren, daß &#x017F;ie &#x017F;cheiden <hi rendition="#g">wolle!</hi></p><lb/>
        <p>Dazu benu&#x0364;tzte Madame Adelaide ihre dien&#x017F;twil-<lb/>
lige Klike und Klake; blieb, um die&#x017F;elbe aufzumun-<lb/>
tern &#x017F;chon acht Tage vor Ausfu&#x0364;hrung der vera&#x0364;chtlichen<lb/>
Kabale &#x017F;tundenlang im Gedra&#x0364;ng ihrer albernen Kur-<lb/>
macher &#x017F;tehen, jeder Zudringlichkeit Stich haltend;<lb/>
zum gro&#x0364;ßten Aerger Bajazzo&#x2019;s, der ver&#x017F;chiedenemale,<lb/>
wie aus Ver&#x017F;ehen, &#x017F;eine &#x017F;pitze, graue Hanswur&#x017F;t-<lb/>
Mu&#x0364;tze, einem Donnerkeil a&#x0364;hnlich dazwi&#x017F;chen &#x017F;chleu-<lb/>
derte. Wa&#x0364;hrend die&#x017F;er acht Tage vernahm man<lb/>
jedesmal wenn die Jartour den Cirkus verla&#x017F;&#x017F;end,<lb/>
ihre Verbeugung machte, anhaltendes Zi&#x017F;chen und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0024] prix konſerviren und deshalb ſollte nun die Jartour vertrieben werden. Haͤndel mit ihr zu beginnen, einen Zwiſt herbeizufuͤhren und dann den Gemahl zu zwingen, daß er ſie entlaſſe, — das war unaus- fuͤhrbar. Wer konnte dieſes ſanfte, nachgiebige, duldſame Geſchoͤpf, — auf dem Roſſe eine Loͤwin, auf dem Boden ein Lamm, — dazu verleiten, in einen Skandal einzugehen? Haͤtte Madame ihr ohne Urſach eine Ohrfeige auf die rechte Wange gegeben, Adele wuͤrde in Demuth die linke auch dargeboten haben. Folglich wurde beſchloſſen, daß Engagement ihr zu verleiden: ſie ſollte kuͤndigen; ſie ſollte erklaͤren, daß ſie ſcheiden wolle! Dazu benuͤtzte Madame Adelaide ihre dienſtwil- lige Klike und Klake; blieb, um dieſelbe aufzumun- tern ſchon acht Tage vor Ausfuͤhrung der veraͤchtlichen Kabale ſtundenlang im Gedraͤng ihrer albernen Kur- macher ſtehen, jeder Zudringlichkeit Stich haltend; zum groͤßten Aerger Bajazzo’s, der verſchiedenemale, wie aus Verſehen, ſeine ſpitze, graue Hanswurſt- Muͤtze, einem Donnerkeil aͤhnlich dazwiſchen ſchleu- derte. Waͤhrend dieſer acht Tage vernahm man jedesmal wenn die Jartour den Cirkus verlaſſend, ihre Verbeugung machte, anhaltendes Ziſchen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/24
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/24>, abgerufen am 21.11.2024.