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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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Allen, mit denen ich länger als ein Jahr zusammen
gewesen. Gestern sind sie fort.

Wir packen bereits. Das ist eine schwierige Arbeit,
zu der ich mich wohl recht ungeschickt anstellen mag!
Doch Herr Vlämert hat Geduld mit mir und unter-
weiset mich auf das Liebreichste. Jch habe bald nicht
einen so sanften, gefälligen Mann gesehen. Er legt
seine edlen Menschen und niederträchtigen Schurken
gleich subtil auseinander, daß man denkt, er habe mit
lebendigen, empfindenden Personen zu thun, die er
schonen möchte.

Schkramprl suchte mich gestern auf, mir Glück
zu wünschen, daß ich's so gut getroffen. Er ist ganz
erstaunt gewesen über die Nachricht; denn bis gestern
haben wir, Vlämert und ich, das Geheimniß bewahrt.
Auch dank' ich meinem Schöpfer für dieses glückliche
Ereigniß. Es wird zwar lange genug dauern, bis
der wächserne Kongreß und wir mit ihm Frankreich
und gar Paris, die Stadt meiner Sehnsucht erreicht.
Aber das hilft nun einmal nichts. Allein könnte ich
ja doch aus vielfachen Gründen die Reise nicht unter-
nehmen, sogar nicht wenn ich mich durchfechten wollte,
wie die Handwerksburschen; einen Anhalt, einen
Schutz, eine Bürgschaft muß ich haben, bei der

Allen, mit denen ich laͤnger als ein Jahr zuſammen
geweſen. Geſtern ſind ſie fort.

Wir packen bereits. Das iſt eine ſchwierige Arbeit,
zu der ich mich wohl recht ungeſchickt anſtellen mag!
Doch Herr Vlaͤmert hat Geduld mit mir und unter-
weiſet mich auf das Liebreichſte. Jch habe bald nicht
einen ſo ſanften, gefaͤlligen Mann geſehen. Er legt
ſeine edlen Menſchen und niedertraͤchtigen Schurken
gleich ſubtil auseinander, daß man denkt, er habe mit
lebendigen, empfindenden Perſonen zu thun, die er
ſchonen moͤchte.

Schkramprl ſuchte mich geſtern auf, mir Gluͤck
zu wuͤnſchen, daß ich’s ſo gut getroffen. Er iſt ganz
erſtaunt geweſen uͤber die Nachricht; denn bis geſtern
haben wir, Vlaͤmert und ich, das Geheimniß bewahrt.
Auch dank’ ich meinem Schoͤpfer fuͤr dieſes gluͤckliche
Ereigniß. Es wird zwar lange genug dauern, bis
der waͤchſerne Kongreß und wir mit ihm Frankreich
und gar Paris, die Stadt meiner Sehnſucht erreicht.
Aber das hilft nun einmal nichts. Allein koͤnnte ich
ja doch aus vielfachen Gruͤnden die Reiſe nicht unter-
nehmen, ſogar nicht wenn ich mich durchfechten wollte,
wie die Handwerksburſchen; einen Anhalt, einen
Schutz, eine Buͤrgſchaft muß ich haben, bei der

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[221/0223] Allen, mit denen ich laͤnger als ein Jahr zuſammen geweſen. Geſtern ſind ſie fort. Wir packen bereits. Das iſt eine ſchwierige Arbeit, zu der ich mich wohl recht ungeſchickt anſtellen mag! Doch Herr Vlaͤmert hat Geduld mit mir und unter- weiſet mich auf das Liebreichſte. Jch habe bald nicht einen ſo ſanften, gefaͤlligen Mann geſehen. Er legt ſeine edlen Menſchen und niedertraͤchtigen Schurken gleich ſubtil auseinander, daß man denkt, er habe mit lebendigen, empfindenden Perſonen zu thun, die er ſchonen moͤchte. Schkramprl ſuchte mich geſtern auf, mir Gluͤck zu wuͤnſchen, daß ich’s ſo gut getroffen. Er iſt ganz erſtaunt geweſen uͤber die Nachricht; denn bis geſtern haben wir, Vlaͤmert und ich, das Geheimniß bewahrt. Auch dank’ ich meinem Schoͤpfer fuͤr dieſes gluͤckliche Ereigniß. Es wird zwar lange genug dauern, bis der waͤchſerne Kongreß und wir mit ihm Frankreich und gar Paris, die Stadt meiner Sehnſucht erreicht. Aber das hilft nun einmal nichts. Allein koͤnnte ich ja doch aus vielfachen Gruͤnden die Reiſe nicht unter- nehmen, ſogar nicht wenn ich mich durchfechten wollte, wie die Handwerksburſchen; einen Anhalt, einen Schutz, eine Buͤrgſchaft muß ich haben, bei der

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/223>, abgerufen am 23.11.2024.