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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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ven liebt, schlang zierlich seinen Rüssel um den Ge-
lehrten, bevor dieser zurückweichen können; hob ihn
sodann, daß er wie der Tauf-Engel in einer Dorf-
kirche schwebend hing, zu sich empor; griff mit dem
agilen Finger des Rüssels in die Rocktasche; holte
sehr geschickt die Tabatiere vom jüngsten Sohne des
jüngsten Sohnes des apanagirten Prinzen heraus;
setzte den vor Todesangst aschgrau-verblichenen Pro-
fessor wieder auf die zitternden Füße; schüttete den
Jnhalt bis zum letzten Krümchen auf die dicke fleischige
Zunge und gab die leere Dose verbindlich ihrem
Eigenthümer zurück.

Die Damen lagen in verschiedenartiger Stellung
in unterschiedlichen Ohnmachten. Anton hatte zwei
Sinkende in seinen zwei Armen aufgefangen. Der
Kornak und Bruder Jacques begnügten sich, dem
Professor, so lang' er in der Schwebe hing, warnend
zuzurufen: er möge keine widerstrebende Bewegung
wagen, weil ein leiser Druck des Rüssels hinreiche,
ihm die gelehrten Rippen zu zerknacken. Um die
ohnmächtigen Damen hatten sich beide, die mit scha-
denfroher Theilnahme des Naturforschers Luftfahrt
verfolgten, nicht weiter bekümmert. Die dritte Dame
würde folglich genöthiget gewesen sein, auf eigene

ven liebt, ſchlang zierlich ſeinen Ruͤſſel um den Ge-
lehrten, bevor dieſer zuruͤckweichen koͤnnen; hob ihn
ſodann, daß er wie der Tauf-Engel in einer Dorf-
kirche ſchwebend hing, zu ſich empor; griff mit dem
agilen Finger des Ruͤſſels in die Rocktaſche; holte
ſehr geſchickt die Tabatière vom juͤngſten Sohne des
juͤngſten Sohnes des apanagirten Prinzen heraus;
ſetzte den vor Todesangſt aſchgrau-verblichenen Pro-
feſſor wieder auf die zitternden Fuͤße; ſchuͤttete den
Jnhalt bis zum letzten Kruͤmchen auf die dicke fleiſchige
Zunge und gab die leere Doſe verbindlich ihrem
Eigenthuͤmer zuruͤck.

Die Damen lagen in verſchiedenartiger Stellung
in unterſchiedlichen Ohnmachten. Anton hatte zwei
Sinkende in ſeinen zwei Armen aufgefangen. Der
Kornak und Bruder Jacques begnuͤgten ſich, dem
Profeſſor, ſo lang’ er in der Schwebe hing, warnend
zuzurufen: er moͤge keine widerſtrebende Bewegung
wagen, weil ein leiſer Druck des Ruͤſſels hinreiche,
ihm die gelehrten Rippen zu zerknacken. Um die
ohnmaͤchtigen Damen hatten ſich beide, die mit ſcha-
denfroher Theilnahme des Naturforſchers Luftfahrt
verfolgten, nicht weiter bekuͤmmert. Die dritte Dame
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[205/0207] ven liebt, ſchlang zierlich ſeinen Ruͤſſel um den Ge- lehrten, bevor dieſer zuruͤckweichen koͤnnen; hob ihn ſodann, daß er wie der Tauf-Engel in einer Dorf- kirche ſchwebend hing, zu ſich empor; griff mit dem agilen Finger des Ruͤſſels in die Rocktaſche; holte ſehr geſchickt die Tabatière vom juͤngſten Sohne des juͤngſten Sohnes des apanagirten Prinzen heraus; ſetzte den vor Todesangſt aſchgrau-verblichenen Pro- feſſor wieder auf die zitternden Fuͤße; ſchuͤttete den Jnhalt bis zum letzten Kruͤmchen auf die dicke fleiſchige Zunge und gab die leere Doſe verbindlich ihrem Eigenthuͤmer zuruͤck. Die Damen lagen in verſchiedenartiger Stellung in unterſchiedlichen Ohnmachten. Anton hatte zwei Sinkende in ſeinen zwei Armen aufgefangen. Der Kornak und Bruder Jacques begnuͤgten ſich, dem Profeſſor, ſo lang’ er in der Schwebe hing, warnend zuzurufen: er moͤge keine widerſtrebende Bewegung wagen, weil ein leiſer Druck des Ruͤſſels hinreiche, ihm die gelehrten Rippen zu zerknacken. Um die ohnmaͤchtigen Damen hatten ſich beide, die mit ſcha- denfroher Theilnahme des Naturforſchers Luftfahrt verfolgten, nicht weiter bekuͤmmert. Die dritte Dame wuͤrde folglich genoͤthiget geweſen ſein, auf eigene

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/207>, abgerufen am 23.11.2024.