vielerlei an ihn ergehende zärtliche Zuschriften herbei- geführt wurden. Manche derselben trugen zwar unverkennbare Spuren niedriger Herkunft, weshalb sie nicht einmal zur oberflächlichsten Eifersüchtelei Anlaß boten; dagegen wieder verleugneten andere um so weniger die Berechtigung ihrer Absenderinnen, recht reiche Wappen zu führen, als sich letztere, in feinstem Lack abgedrückt, rein und lockend auf den Briefhüllen zur Schau stellten. Gewöhnlich in französischer Sprache abgefaßt, -- denn wer sollte in anderer mit "Monsieur Antoine aus Paris" anknüpfen wollen? -- sprachen sie den Wunsch aus, die nähere Bekanntschaft eines jungen liebenswürdigen Künstlers zu machen, der... und so weiter. Da Madame Amelot nicht zur Truppe gehörte, mochte ihre Existenz den meisten Schreiberinnen eben so unbekannt sein, als Antons Stellung zu ihr. Er galt für frei! -- Madame Amelot hatte sehr schlaue Vorkehrungen getroffen, damit jedes an Anton gerichtete Schreiben ihr zukom- men möge. Er erfuhr den Jnhalt der süßen Blätter immer erst aus den bittern Worten, in welche die Geliebte ihn kleidete. Auch ließ sie die nähere Be- zeichnung jener Orte, wo man ihm zu begegnen hoffte, stets ein Geheimniß für ihn bleiben. Er währte nicht
vielerlei an ihn ergehende zaͤrtliche Zuſchriften herbei- gefuͤhrt wurden. Manche derſelben trugen zwar unverkennbare Spuren niedriger Herkunft, weshalb ſie nicht einmal zur oberflaͤchlichſten Eiferſuͤchtelei Anlaß boten; dagegen wieder verleugneten andere um ſo weniger die Berechtigung ihrer Abſenderinnen, recht reiche Wappen zu fuͤhren, als ſich letztere, in feinſtem Lack abgedruͤckt, rein und lockend auf den Briefhuͤllen zur Schau ſtellten. Gewoͤhnlich in franzoͤſiſcher Sprache abgefaßt, — denn wer ſollte in anderer mit „Monſieur Antoine aus Paris“ anknuͤpfen wollen? — ſprachen ſie den Wunſch aus, die naͤhere Bekanntſchaft eines jungen liebenswuͤrdigen Kuͤnſtlers zu machen, der... und ſo weiter. Da Madame Amelot nicht zur Truppe gehoͤrte, mochte ihre Exiſtenz den meiſten Schreiberinnen eben ſo unbekannt ſein, als Antons Stellung zu ihr. Er galt fuͤr frei! — Madame Amelot hatte ſehr ſchlaue Vorkehrungen getroffen, damit jedes an Anton gerichtete Schreiben ihr zukom- men moͤge. Er erfuhr den Jnhalt der ſuͤßen Blaͤtter immer erſt aus den bittern Worten, in welche die Geliebte ihn kleidete. Auch ließ ſie die naͤhere Be- zeichnung jener Orte, wo man ihm zu begegnen hoffte, ſtets ein Geheimniß fuͤr ihn bleiben. Er waͤhrte nicht
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vielerlei an ihn ergehende zaͤrtliche Zuſchriften herbei-
gefuͤhrt wurden. Manche derſelben trugen zwar
unverkennbare Spuren niedriger Herkunft, weshalb
ſie nicht einmal zur oberflaͤchlichſten Eiferſuͤchtelei
Anlaß boten; dagegen wieder verleugneten andere um
ſo weniger die Berechtigung ihrer Abſenderinnen, recht
reiche Wappen zu fuͤhren, als ſich letztere, in feinſtem
Lack abgedruͤckt, rein und lockend auf den Briefhuͤllen
zur Schau ſtellten. Gewoͤhnlich in franzoͤſiſcher
Sprache abgefaßt, — denn wer ſollte in anderer mit
„Monſieur Antoine aus Paris“ anknuͤpfen wollen? —
ſprachen ſie den Wunſch aus, die naͤhere Bekanntſchaft
eines jungen liebenswuͤrdigen Kuͤnſtlers zu machen,
der... und ſo weiter. Da Madame Amelot nicht
zur Truppe gehoͤrte, mochte ihre Exiſtenz den meiſten
Schreiberinnen eben ſo unbekannt ſein, als Antons
Stellung zu ihr. Er galt fuͤr frei! — Madame
Amelot hatte ſehr ſchlaue Vorkehrungen getroffen,
damit jedes an Anton gerichtete Schreiben ihr zukom-
men moͤge. Er erfuhr den Jnhalt der ſuͤßen Blaͤtter
immer erſt aus den bittern Worten, in welche die
Geliebte ihn kleidete. Auch ließ ſie die naͤhere Be-
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ſtets ein Geheimniß fuͤr ihn bleiben. Er waͤhrte nicht
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/20>, abgerufen am 21.11.2024.
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