kümmerlich durchschlagen müssen, während dem Mei- ster, der durch eine vollendete Leistung seinen Ruf begründet, Paris und London offen stehen. Dies fand auf ihn um so mehr Anwendung, weil die Rücksicht für's Violinspiel ihm nicht gestattete durch eigentlichen Kraftaufwand und heftige Bravouren sich abzuarbei- ten; denn er hatte seine Muskeln und Nerven zu schonen, und sich in Ruhe zu halten, wenn er ein Adagio geigen wollte. So blieb ihm also die Aus- sicht, ein ganzes Leben hindurch auf das zu verwen- den, was er, während er es eingeübt, nur für eine Stufe zu anderen, größeren Versuchen betrachtet hatte. Das war nicht denkbar, dabei konnte er nicht aus- dauern. Es ist nur Brodneid, der sie so sprechen lehrt, sagte er; ich will schon etwas Neues heraus- grübeln und sie alle zu Schanden machen.
Und nicht nur jene Langeweile, welche sein öffent- liches Auftreten und der mit demselben verbundene gleichförmige Beifall ihm erregte; mehr noch die Abhängigkeit, in welcher sein Verhältniß mit Laura ihn festhielt, drückte den ursprünglich heitern, freien Sinn danieder. Er nahm, wie uns bekannt, noch nichts ein. Madame Amelot bestritt seine Existenz, denn sie wollte nicht einmal, daß er bei Guillaume
kuͤmmerlich durchſchlagen muͤſſen, waͤhrend dem Mei- ſter, der durch eine vollendete Leiſtung ſeinen Ruf begruͤndet, Paris und London offen ſtehen. Dies fand auf ihn um ſo mehr Anwendung, weil die Ruͤckſicht fuͤr’s Violinſpiel ihm nicht geſtattete durch eigentlichen Kraftaufwand und heftige Bravouren ſich abzuarbei- ten; denn er hatte ſeine Muskeln und Nerven zu ſchonen, und ſich in Ruhe zu halten, wenn er ein Adagio geigen wollte. So blieb ihm alſo die Aus- ſicht, ein ganzes Leben hindurch auf das zu verwen- den, was er, waͤhrend er es eingeuͤbt, nur fuͤr eine Stufe zu anderen, groͤßeren Verſuchen betrachtet hatte. Das war nicht denkbar, dabei konnte er nicht aus- dauern. Es iſt nur Brodneid, der ſie ſo ſprechen lehrt, ſagte er; ich will ſchon etwas Neues heraus- gruͤbeln und ſie alle zu Schanden machen.
Und nicht nur jene Langeweile, welche ſein oͤffent- liches Auftreten und der mit demſelben verbundene gleichfoͤrmige Beifall ihm erregte; mehr noch die Abhaͤngigkeit, in welcher ſein Verhaͤltniß mit Laura ihn feſthielt, druͤckte den urſpruͤnglich heitern, freien Sinn danieder. Er nahm, wie uns bekannt, noch nichts ein. Madame Amelot beſtritt ſeine Exiſtenz, denn ſie wollte nicht einmal, daß er bei Guillaume
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[16/0018]
kuͤmmerlich durchſchlagen muͤſſen, waͤhrend dem Mei-
ſter, der durch eine vollendete Leiſtung ſeinen Ruf
begruͤndet, Paris und London offen ſtehen. Dies fand
auf ihn um ſo mehr Anwendung, weil die Ruͤckſicht
fuͤr’s Violinſpiel ihm nicht geſtattete durch eigentlichen
Kraftaufwand und heftige Bravouren ſich abzuarbei-
ten; denn er hatte ſeine Muskeln und Nerven zu
ſchonen, und ſich in Ruhe zu halten, wenn er ein
Adagio geigen wollte. So blieb ihm alſo die Aus-
ſicht, ein ganzes Leben hindurch auf das zu verwen-
den, was er, waͤhrend er es eingeuͤbt, nur fuͤr eine
Stufe zu anderen, groͤßeren Verſuchen betrachtet hatte.
Das war nicht denkbar, dabei konnte er nicht aus-
dauern. Es iſt nur Brodneid, der ſie ſo ſprechen
lehrt, ſagte er; ich will ſchon etwas Neues heraus-
gruͤbeln und ſie alle zu Schanden machen.
Und nicht nur jene Langeweile, welche ſein oͤffent-
liches Auftreten und der mit demſelben verbundene
gleichfoͤrmige Beifall ihm erregte; mehr noch die
Abhaͤngigkeit, in welcher ſein Verhaͤltniß mit Laura
ihn feſthielt, druͤckte den urſpruͤnglich heitern, freien
Sinn danieder. Er nahm, wie uns bekannt, noch
nichts ein. Madame Amelot beſtritt ſeine Exiſtenz,
denn ſie wollte nicht einmal, daß er bei Guillaume
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/18>, abgerufen am 24.11.2024.
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