keit wenn er sich mit allen Kräften des Geistes, mit allen Mitteln des Wissens, in die Lage des Schurken denkt und für ihn arbeitet, wie für sich selbst?? Und an mir, an meinem besseren Jch sollten die Makel hängen bleiben, in die ich mich sinnend vertiefe, um einen Shylok, einen Franz Moor in ihr hellstes Licht zu setzen? Das träfe ja den Dichter nicht minder, als mich? Thorheiten das! Wir steh'n über diesen Dingen. Der schaffende Dichter, der wiederschaf- fende, belebende Schauspieler. Wir stehen über der Masse, die uns nicht begreift; so wenig wie sie begreift, wieviel dem produzirenden Poeten, wieviel dem reproduzirenden Darsteller gehört, von dem was sie erschüttert, entsetzt, rührt, oder wiehern macht.
"'s ist allerdings ein elend Leben, -- Möcht's doch nicht für ein anderes geben!"
Nun, lebe wohl mein Sohn! Folge mir: gieb den flüchtigen, eitlen Gedanken auf. Dich rief Dein Spiegel zum Theater, nicht der Gott in Dir; -- obwohl der Teufel noch weniger: aus solchen Zügen redet der nicht. Werd' ein tüchtiger ecuyer. Wir Franzosen -- (denn ich bin auch so ein Stück von Franzosen, weil wir Devrient's aus der französischen Kolonie stammen; wenn ich schon sonst durch und
8 *
keit wenn er ſich mit allen Kraͤften des Geiſtes, mit allen Mitteln des Wiſſens, in die Lage des Schurken denkt und fuͤr ihn arbeitet, wie fuͤr ſich ſelbſt?? Und an mir, an meinem beſſeren Jch ſollten die Makel haͤngen bleiben, in die ich mich ſinnend vertiefe, um einen Shylok, einen Franz Moor in ihr hellſtes Licht zu ſetzen? Das traͤfe ja den Dichter nicht minder, als mich? Thorheiten das! Wir ſteh’n uͤber dieſen Dingen. Der ſchaffende Dichter, der wiederſchaf- fende, belebende Schauſpieler. Wir ſtehen uͤber der Maſſe, die uns nicht begreift; ſo wenig wie ſie begreift, wieviel dem produzirenden Poeten, wieviel dem reproduzirenden Darſteller gehoͤrt, von dem was ſie erſchuͤttert, entſetzt, ruͤhrt, oder wiehern macht.
„’s iſt allerdings ein elend Leben, — Möcht’s doch nicht für ein anderes geben!“
Nun, lebe wohl mein Sohn! Folge mir: gieb den fluͤchtigen, eitlen Gedanken auf. Dich rief Dein Spiegel zum Theater, nicht der Gott in Dir; — obwohl der Teufel noch weniger: aus ſolchen Zuͤgen redet der nicht. Werd’ ein tuͤchtiger écuyer. Wir Franzoſen — (denn ich bin auch ſo ein Stuͤck von Franzoſen, weil wir Devrient’s aus der franzoͤſiſchen Kolonie ſtammen; wenn ich ſchon ſonſt durch und
8 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0117"n="115"/>
keit wenn er ſich mit allen Kraͤften des Geiſtes, mit<lb/>
allen Mitteln des Wiſſens, in die Lage des Schurken<lb/>
denkt und fuͤr ihn arbeitet, wie fuͤr ſich ſelbſt?? Und<lb/>
an <hirendition="#g">mir,</hi> an meinem beſſeren Jch ſollten die Makel<lb/>
haͤngen bleiben, in die ich mich ſinnend vertiefe, um<lb/>
einen Shylok, einen Franz Moor in ihr hellſtes Licht<lb/>
zu ſetzen? Das traͤfe ja den Dichter nicht minder, als<lb/>
mich? Thorheiten das! Wir ſteh’n <hirendition="#g">uͤber</hi> dieſen<lb/>
Dingen. Der ſchaffende Dichter, der wiederſchaf-<lb/>
fende, belebende Schauſpieler. Wir ſtehen uͤber der<lb/>
Maſſe, die uns nicht begreift; ſo wenig wie ſie<lb/>
begreift, wieviel dem produzirenden Poeten, wieviel<lb/>
dem reproduzirenden Darſteller gehoͤrt, von dem was<lb/>ſie erſchuͤttert, entſetzt, ruͤhrt, oder wiehern macht.</p><lb/><lgtype="poem"><l>„’s iſt allerdings ein elend Leben, —</l><lb/><l>Möcht’s doch nicht für ein anderes geben!“</l></lg><lb/><p>Nun, lebe wohl mein Sohn! Folge mir: gieb den<lb/>
fluͤchtigen, eitlen Gedanken auf. Dich rief Dein<lb/>
Spiegel zum Theater, nicht der Gott in Dir; —<lb/>
obwohl der Teufel noch weniger: aus <hirendition="#g">ſolchen</hi> Zuͤgen<lb/>
redet der nicht. Werd’ ein tuͤchtiger <hirendition="#aq">écuyer.</hi> Wir<lb/>
Franzoſen — (denn ich bin auch ſo ein Stuͤck von<lb/>
Franzoſen, weil wir Devrient’s aus der franzoͤſiſchen<lb/>
Kolonie ſtammen; wenn ich ſchon ſonſt durch und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">8 *</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[115/0117]
keit wenn er ſich mit allen Kraͤften des Geiſtes, mit
allen Mitteln des Wiſſens, in die Lage des Schurken
denkt und fuͤr ihn arbeitet, wie fuͤr ſich ſelbſt?? Und
an mir, an meinem beſſeren Jch ſollten die Makel
haͤngen bleiben, in die ich mich ſinnend vertiefe, um
einen Shylok, einen Franz Moor in ihr hellſtes Licht
zu ſetzen? Das traͤfe ja den Dichter nicht minder, als
mich? Thorheiten das! Wir ſteh’n uͤber dieſen
Dingen. Der ſchaffende Dichter, der wiederſchaf-
fende, belebende Schauſpieler. Wir ſtehen uͤber der
Maſſe, die uns nicht begreift; ſo wenig wie ſie
begreift, wieviel dem produzirenden Poeten, wieviel
dem reproduzirenden Darſteller gehoͤrt, von dem was
ſie erſchuͤttert, entſetzt, ruͤhrt, oder wiehern macht.
„’s iſt allerdings ein elend Leben, —
Möcht’s doch nicht für ein anderes geben!“
Nun, lebe wohl mein Sohn! Folge mir: gieb den
fluͤchtigen, eitlen Gedanken auf. Dich rief Dein
Spiegel zum Theater, nicht der Gott in Dir; —
obwohl der Teufel noch weniger: aus ſolchen Zuͤgen
redet der nicht. Werd’ ein tuͤchtiger écuyer. Wir
Franzoſen — (denn ich bin auch ſo ein Stuͤck von
Franzoſen, weil wir Devrient’s aus der franzoͤſiſchen
Kolonie ſtammen; wenn ich ſchon ſonſt durch und
8 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/117>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.