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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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freudeleer, unter einem grauen Tage dahin wanderst,
ohne Hoffnung, daß der Himmel sich heute noch auf-
klären könne; wenn Du, ich weiß nicht was geben
möchtest, für ein Stückchen reines Blau über Dir;
wenn Dein Herz mehr als je Wärme braucht und
Licht, aber Du sieh'st nur Nebel und empfindest nur,
wie er Dir naßkalt entgegen weht, -- Du entrollst
Deinen Mantel, damit Du Dich still ergeben, entsa-
gend hinein hüllen dürfest, -- und in demselben Augen-
blicke theilt sich die dunkle schwere Decke, -- die Sonne
gewinnt Kraft -- sie dringt durch, -- der Morgen-
wind macht ihr Bahn, -- frische Hoffnung auf einen
schönen Tag durchströmt Deine Brust! Weißt Du
mein Leser wie das thut?

Nun denn, so und nicht anders geschah unserm
hypochondrischen jungen Freunde, da mitten in seine
selbstquälerischen Klagen hinein der Sonnenblick eines
neuen Lebens glänzte. Dieser Sonnenblick leuchtete
ihn an, aus den Augen des Schauspielers, welcher
ihn gestern Abend in der Weinstube freundlich-lächelnd
betrachtet hatte; jenes Blickes nur gedachte Anton
und ohne lange zu überlegen, oder zu zögern, raffte
er sich zusammen, machte sich auf den Weg zum
Kastellan des Theaters, bei dem er sich nach der

freudeleer, unter einem grauen Tage dahin wanderſt,
ohne Hoffnung, daß der Himmel ſich heute noch auf-
klaͤren koͤnne; wenn Du, ich weiß nicht was geben
moͤchteſt, fuͤr ein Stuͤckchen reines Blau uͤber Dir;
wenn Dein Herz mehr als je Waͤrme braucht und
Licht, aber Du ſieh’ſt nur Nebel und empfindeſt nur,
wie er Dir naßkalt entgegen weht, — Du entrollſt
Deinen Mantel, damit Du Dich ſtill ergeben, entſa-
gend hinein huͤllen duͤrfeſt, — und in demſelben Augen-
blicke theilt ſich die dunkle ſchwere Decke, — die Sonne
gewinnt Kraft — ſie dringt durch, — der Morgen-
wind macht ihr Bahn, — friſche Hoffnung auf einen
ſchoͤnen Tag durchſtroͤmt Deine Bruſt! Weißt Du
mein Leſer wie das thut?

Nun denn, ſo und nicht anders geſchah unſerm
hypochondriſchen jungen Freunde, da mitten in ſeine
ſelbſtquaͤleriſchen Klagen hinein der Sonnenblick eines
neuen Lebens glaͤnzte. Dieſer Sonnenblick leuchtete
ihn an, aus den Augen des Schauſpielers, welcher
ihn geſtern Abend in der Weinſtube freundlich-laͤchelnd
betrachtet hatte; jenes Blickes nur gedachte Anton
und ohne lange zu uͤberlegen, oder zu zoͤgern, raffte
er ſich zuſammen, machte ſich auf den Weg zum
Kaſtellan des Theaters, bei dem er ſich nach der

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[98/0100] freudeleer, unter einem grauen Tage dahin wanderſt, ohne Hoffnung, daß der Himmel ſich heute noch auf- klaͤren koͤnne; wenn Du, ich weiß nicht was geben moͤchteſt, fuͤr ein Stuͤckchen reines Blau uͤber Dir; wenn Dein Herz mehr als je Waͤrme braucht und Licht, aber Du ſieh’ſt nur Nebel und empfindeſt nur, wie er Dir naßkalt entgegen weht, — Du entrollſt Deinen Mantel, damit Du Dich ſtill ergeben, entſa- gend hinein huͤllen duͤrfeſt, — und in demſelben Augen- blicke theilt ſich die dunkle ſchwere Decke, — die Sonne gewinnt Kraft — ſie dringt durch, — der Morgen- wind macht ihr Bahn, — friſche Hoffnung auf einen ſchoͤnen Tag durchſtroͤmt Deine Bruſt! Weißt Du mein Leſer wie das thut? Nun denn, ſo und nicht anders geſchah unſerm hypochondriſchen jungen Freunde, da mitten in ſeine ſelbſtquaͤleriſchen Klagen hinein der Sonnenblick eines neuen Lebens glaͤnzte. Dieſer Sonnenblick leuchtete ihn an, aus den Augen des Schauſpielers, welcher ihn geſtern Abend in der Weinſtube freundlich-laͤchelnd betrachtet hatte; jenes Blickes nur gedachte Anton und ohne lange zu uͤberlegen, oder zu zoͤgern, raffte er ſich zuſammen, machte ſich auf den Weg zum Kaſtellan des Theaters, bei dem er ſich nach der

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/100>, abgerufen am 23.11.2024.