Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

[be]wundernswürdig leicht, daß er nicht weit hinter
[B]ajazzo, dem Hauptvoltigeur zurückblieb.

Die Monate vergingen schnell genug.

Als D. bis auf den Grund erschöpft war, wand
[s]ch der Knäuel der Zentauren nach St. und endlich
[er]schallten ihre Fanfaren in der Residenz, woselbst denn
[au]ch der große Tag anbrechen sollte, an welchem unser
[H]eld, -- nicht mehr künstlich entstellt und seine Per-
[sö]nlichkeit verleugnend, -- vielmehr im ganzen Zau-
[be]r derselben vor dem Publiko erscheinen darf, um in
[do]ppelter Eigenschaft, als Reiter und Virtuose, Au-
[ge]n, Ohren, wer weiß, ob nicht auch Herzen, zu
[ge]winnen.

Jch muß nur den Leser bitten, zu erwägen, daß
[ein]e Reihe von dreißig Jahren verflossen ist, seitdem
[si]ch begab, was ich zu erzählen versuche. Heut zu
[T]age, wo dreijährige Kinder als Reiter und vierjäh-
[ri]ge als Tonkünstler erscheinen, dürfte es nur unbe-
[bede]utendes Aufsehen machen, wenn zwei Pferde ein
[Fo]rtepiano trügen, das dritte einen Wunderbalg, der
[au]f dem Fortepiano mit allen Vieren spielte, während
[di]e drei Rosse auf allen Vieren liefen. Ja es ist mög-
[li]ch, unsere blasirte Zuschauerschaft wäre damit noch

[be]wundernswuͤrdig leicht, daß er nicht weit hinter
[B]ajazzo, dem Hauptvoltigeur zuruͤckblieb.

Die Monate vergingen ſchnell genug.

Als D. bis auf den Grund erſchoͤpft war, wand
[ſ]ch der Knaͤuel der Zentauren nach St. und endlich
[er]ſchallten ihre Fanfaren in der Reſidenz, woſelbſt denn
[au]ch der große Tag anbrechen ſollte, an welchem unſer
[H]eld, — nicht mehr kuͤnſtlich entſtellt und ſeine Per-
[ſö]nlichkeit verleugnend, — vielmehr im ganzen Zau-
[be]r derſelben vor dem Publiko erſcheinen darf, um in
[do]ppelter Eigenſchaft, als Reiter und Virtuoſe, Au-
[ge]n, Ohren, wer weiß, ob nicht auch Herzen, zu
[ge]winnen.

Jch muß nur den Leſer bitten, zu erwaͤgen, daß
[ein]e Reihe von dreißig Jahren verfloſſen iſt, ſeitdem
[ſi]ch begab, was ich zu erzaͤhlen verſuche. Heut zu
[T]age, wo dreijaͤhrige Kinder als Reiter und vierjaͤh-
[ri]ge als Tonkuͤnſtler erſcheinen, duͤrfte es nur unbe-
[bede]utendes Aufſehen machen, wenn zwei Pferde ein
[Fo]rtepiano truͤgen, das dritte einen Wunderbalg, der
[au]f dem Fortepiano mit allen Vieren ſpielte, waͤhrend
[di]e drei Roſſe auf allen Vieren liefen. Ja es iſt moͤg-
[li]ch, unſere blaſirte Zuſchauerſchaft waͤre damit noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0010" n="8"/><supplied>be</supplied>wundernswu&#x0364;rdig leicht, daß er nicht weit hinter<lb/><supplied>B</supplied>ajazzo, dem Hauptvoltigeur zuru&#x0364;ckblieb.</p><lb/>
        <p>Die Monate vergingen &#x017F;chnell genug.</p><lb/>
        <p>Als D. bis auf den Grund er&#x017F;cho&#x0364;pft war, wand<lb/><supplied>&#x017F;</supplied>ch der Kna&#x0364;uel der Zentauren nach St. und endlich<lb/><supplied>er</supplied>&#x017F;challten ihre Fanfaren in der Re&#x017F;idenz, wo&#x017F;elb&#x017F;t denn<lb/><supplied>au</supplied>ch der große Tag anbrechen &#x017F;ollte, an welchem un&#x017F;er<lb/><supplied>H</supplied>eld, &#x2014; nicht mehr ku&#x0364;n&#x017F;tlich ent&#x017F;tellt und &#x017F;eine Per-<lb/><supplied>&#x017F;ö</supplied>nlichkeit verleugnend, &#x2014; vielmehr im ganzen Zau-<lb/><supplied>be</supplied>r der&#x017F;elben vor dem Publiko er&#x017F;cheinen darf, um in<lb/><supplied>do</supplied>ppelter Eigen&#x017F;chaft, als Reiter und Virtuo&#x017F;e, Au-<lb/><supplied>ge</supplied>n, Ohren, wer weiß, ob nicht auch Herzen, zu<lb/><supplied>ge</supplied>winnen.</p><lb/>
        <p>Jch muß nur den Le&#x017F;er bitten, zu erwa&#x0364;gen, daß<lb/><supplied>ein</supplied>e Reihe von dreißig Jahren verflo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, &#x017F;eitdem<lb/><supplied>&#x017F;i</supplied>ch begab, was ich zu erza&#x0364;hlen ver&#x017F;uche. Heut zu<lb/><supplied>T</supplied>age, wo dreija&#x0364;hrige Kinder als Reiter und vierja&#x0364;h-<lb/><supplied>ri</supplied>ge als Tonku&#x0364;n&#x017F;tler er&#x017F;cheinen, du&#x0364;rfte es nur unbe-<lb/><supplied>bede</supplied>utendes Auf&#x017F;ehen machen, wenn zwei Pferde ein<lb/><supplied>Fo</supplied>rtepiano tru&#x0364;gen, das dritte einen Wunderbalg, der<lb/><supplied>au</supplied>f dem Fortepiano mit allen Vieren &#x017F;pielte, wa&#x0364;hrend<lb/><supplied>di</supplied>e drei Ro&#x017F;&#x017F;e auf allen Vieren liefen. Ja es i&#x017F;t mo&#x0364;g-<lb/><supplied>li</supplied>ch, un&#x017F;ere bla&#x017F;irte Zu&#x017F;chauer&#x017F;chaft wa&#x0364;re damit noch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0010] bewundernswuͤrdig leicht, daß er nicht weit hinter Bajazzo, dem Hauptvoltigeur zuruͤckblieb. Die Monate vergingen ſchnell genug. Als D. bis auf den Grund erſchoͤpft war, wand ſch der Knaͤuel der Zentauren nach St. und endlich erſchallten ihre Fanfaren in der Reſidenz, woſelbſt denn auch der große Tag anbrechen ſollte, an welchem unſer Held, — nicht mehr kuͤnſtlich entſtellt und ſeine Per- ſönlichkeit verleugnend, — vielmehr im ganzen Zau- ber derſelben vor dem Publiko erſcheinen darf, um in doppelter Eigenſchaft, als Reiter und Virtuoſe, Au- gen, Ohren, wer weiß, ob nicht auch Herzen, zu gewinnen. Jch muß nur den Leſer bitten, zu erwaͤgen, daß eine Reihe von dreißig Jahren verfloſſen iſt, ſeitdem ſich begab, was ich zu erzaͤhlen verſuche. Heut zu Tage, wo dreijaͤhrige Kinder als Reiter und vierjaͤh- rige als Tonkuͤnſtler erſcheinen, duͤrfte es nur unbe- bedeutendes Aufſehen machen, wenn zwei Pferde ein Fortepiano truͤgen, das dritte einen Wunderbalg, der auf dem Fortepiano mit allen Vieren ſpielte, waͤhrend die drei Roſſe auf allen Vieren liefen. Ja es iſt moͤg- lich, unſere blaſirte Zuſchauerſchaft waͤre damit noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/10
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/10>, abgerufen am 27.11.2024.