war so entschieden, daß es sogar ein leibliches wurde. Fräulein Tieletunke führte strenges Regiment und prügelte nöthigenfalls ihre jungen Verehrer tüchtig durch; was diese ohne Widerrede sich von ihr gefallen ließen, während sie sich doch gegen Linz und Miez raufend zur Wehre setzten und die gnädigen jungen Schloßfräulen dermaßen zurichteten, daß Onkel Na- sus oft mit der Karbatsche dazwischen hauen mußte.
Sehr bezeichnend ist folgender Vorfall: Gottfried, des Schulmeisters Söhnlein, gleichfalls um einige Jahre älter als Tieletunke und durch seinen Vater eine Art von Respektsperson für den Liebenauer Nach- wuchs, hatte einmal gewagt, sich als solche geltend zu machen und der jungen Gebieterin Gehorsam zu verweigern. Man war allgemein gespannt, welche Folgen daraus entstehen würden. Tieletunke ließ sich ein Stöckchen reichen, befahl dem rebellischen Gottfried still zu halten (was dieser in stummem Er- staunen wirklich that), und erklärte mit fester Stimme, sie werde dem Schuldigen fünfundzwanzig Streiche geben. -- (Wem diese Strafe zu hart und die Summe der Schläge zu groß erscheint, der wird zu bedenken ersucht, daß die Strafende dazumal noch nicht zählen konnte und mit 25 einen unbestimmten Begriff ver-
war ſo entſchieden, daß es ſogar ein leibliches wurde. Fraͤulein Tieletunke fuͤhrte ſtrenges Regiment und pruͤgelte noͤthigenfalls ihre jungen Verehrer tuͤchtig durch; was dieſe ohne Widerrede ſich von ihr gefallen ließen, waͤhrend ſie ſich doch gegen Linz und Miez raufend zur Wehre ſetzten und die gnaͤdigen jungen Schloßfraͤulen dermaßen zurichteten, daß Onkel Na- ſus oft mit der Karbatſche dazwiſchen hauen mußte.
Sehr bezeichnend iſt folgender Vorfall: Gottfried, des Schulmeiſters Soͤhnlein, gleichfalls um einige Jahre aͤlter als Tieletunke und durch ſeinen Vater eine Art von Reſpektsperſon fuͤr den Liebenauer Nach- wuchs, hatte einmal gewagt, ſich als ſolche geltend zu machen und der jungen Gebieterin Gehorſam zu verweigern. Man war allgemein geſpannt, welche Folgen daraus entſtehen wuͤrden. Tieletunke ließ ſich ein Stoͤckchen reichen, befahl dem rebelliſchen Gottfried ſtill zu halten (was dieſer in ſtummem Er- ſtaunen wirklich that), und erklaͤrte mit feſter Stimme, ſie werde dem Schuldigen fuͤnfundzwanzig Streiche geben. — (Wem dieſe Strafe zu hart und die Summe der Schlaͤge zu groß erſcheint, der wird zu bedenken erſucht, daß die Strafende dazumal noch nicht zaͤhlen konnte und mit 25 einen unbeſtimmten Begriff ver-
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war ſo entſchieden, daß es ſogar ein leibliches wurde.
Fraͤulein Tieletunke fuͤhrte ſtrenges Regiment und
pruͤgelte noͤthigenfalls ihre jungen Verehrer tuͤchtig
durch; was dieſe ohne Widerrede ſich von ihr gefallen
ließen, waͤhrend ſie ſich doch gegen Linz und Miez
raufend zur Wehre ſetzten und die gnaͤdigen jungen
Schloßfraͤulen dermaßen zurichteten, daß Onkel Na-
ſus oft mit der Karbatſche dazwiſchen hauen mußte.
Sehr bezeichnend iſt folgender Vorfall: Gottfried,
des Schulmeiſters Soͤhnlein, gleichfalls um einige
Jahre aͤlter als Tieletunke und durch ſeinen Vater
eine Art von Reſpektsperſon fuͤr den Liebenauer Nach-
wuchs, hatte einmal gewagt, ſich als ſolche geltend
zu machen und der jungen Gebieterin Gehorſam zu
verweigern. Man war allgemein geſpannt, welche
Folgen daraus entſtehen wuͤrden. Tieletunke ließ
ſich ein Stoͤckchen reichen, befahl dem rebelliſchen
Gottfried ſtill zu halten (was dieſer in ſtummem Er-
ſtaunen wirklich that), und erklaͤrte mit feſter Stimme,
ſie werde dem Schuldigen fuͤnfundzwanzig Streiche
geben. — (Wem dieſe Strafe zu hart und die Summe
der Schlaͤge zu groß erſcheint, der wird zu bedenken
erſucht, daß die Strafende dazumal noch nicht zaͤhlen
konnte und mit 25 einen unbeſtimmten Begriff ver-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/66>, abgerufen am 24.11.2024.
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