Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

das ewige Fieber hätte, da wollt' ich schon noch
viel schlechter sein! Soll ich etwa auch nicht? Wes-
halb sollt' ich's mit den Menschen gut meinen? Sind
sie gut gegen mich? Von meiner Mutter hab' ich nichts
als Fußtritte gehabt; meine Nahrung mußt' ich mir
selbst zusammenbetteln, oder stehlen; und dann nahm
sie mir fort, was mir gehörte. Der Vater trieb sich
mit Dirnen herum; sobald ich ihn um etwas bat,
schlug er nach mir, gleichviel, ob mit der Faust, oder
mit einem Stück Holz. Als sie ihn drüben aufge-
hängt hatten, weil er einen Landjuden todtgestochen
und beraubt, bin ich von Thür' zu Thür' gekrochen
und hab' gebeten, sie möchten mich aufnehmen, mir
Brot geben; ich wollte für sie arbeiten. Zuerst, wenn
sie mich neugierig betrachtet, zischelten sie unter einan-
der: Das ist ein schöner Junge! Wenn sie mich aber
um meine Herkunft fragten und ich sagte ihnen die
Wahrheit, da schrieen sie auf: Was? den Sohn eines
Mörders in's Haus nehmen? Geh' an den Galgen
zu Deinem Herrn Papa! Und sie hetzten mich mit
Hunden. Damals wollt' ich gut thun; die Men-
schen
wollten's nicht haben. Jetzt will ich nicht."

Du wirst Dich aber zu Grunde richten mit Dei-
nem häßlichen Saufen. Du wirst immer kränker

das ewige Fieber haͤtte, da wollt’ ich ſchon noch
viel ſchlechter ſein! Soll ich etwa auch nicht? Wes-
halb ſollt’ ich’s mit den Menſchen gut meinen? Sind
ſie gut gegen mich? Von meiner Mutter hab’ ich nichts
als Fußtritte gehabt; meine Nahrung mußt’ ich mir
ſelbſt zuſammenbetteln, oder ſtehlen; und dann nahm
ſie mir fort, was mir gehoͤrte. Der Vater trieb ſich
mit Dirnen herum; ſobald ich ihn um etwas bat,
ſchlug er nach mir, gleichviel, ob mit der Fauſt, oder
mit einem Stuͤck Holz. Als ſie ihn druͤben aufge-
haͤngt hatten, weil er einen Landjuden todtgeſtochen
und beraubt, bin ich von Thuͤr’ zu Thuͤr’ gekrochen
und hab’ gebeten, ſie moͤchten mich aufnehmen, mir
Brot geben; ich wollte fuͤr ſie arbeiten. Zuerſt, wenn
ſie mich neugierig betrachtet, ziſchelten ſie unter einan-
der: Das iſt ein ſchoͤner Junge! Wenn ſie mich aber
um meine Herkunft fragten und ich ſagte ihnen die
Wahrheit, da ſchrieen ſie auf: Was? den Sohn eines
Moͤrders in’s Haus nehmen? Geh’ an den Galgen
zu Deinem Herrn Papa! Und ſie hetzten mich mit
Hunden. Damals wollt’ ich gut thun; die Men-
ſchen
wollten’s nicht haben. Jetzt will ich nicht.“

Du wirſt Dich aber zu Grunde richten mit Dei-
nem haͤßlichen Saufen. Du wirſt immer kraͤnker

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0054" n="38"/>
das ewige Fieber ha&#x0364;tte, da wollt&#x2019; ich &#x017F;chon noch<lb/>
viel &#x017F;chlechter &#x017F;ein! Soll ich etwa auch nicht? Wes-<lb/>
halb &#x017F;ollt&#x2019; ich&#x2019;s mit den Men&#x017F;chen gut meinen? Sind<lb/>
&#x017F;ie gut gegen mich? Von meiner Mutter hab&#x2019; ich nichts<lb/>
als Fußtritte gehabt; meine Nahrung mußt&#x2019; ich mir<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t zu&#x017F;ammenbetteln, oder &#x017F;tehlen; und dann nahm<lb/>
&#x017F;ie mir fort, was mir geho&#x0364;rte. Der Vater trieb &#x017F;ich<lb/>
mit Dirnen herum; &#x017F;obald ich ihn um etwas bat,<lb/>
&#x017F;chlug er nach mir, gleichviel, ob mit der Fau&#x017F;t, oder<lb/>
mit einem Stu&#x0364;ck Holz. Als &#x017F;ie ihn dru&#x0364;ben aufge-<lb/>
ha&#x0364;ngt hatten, weil er einen Landjuden todtge&#x017F;tochen<lb/>
und beraubt, bin ich von Thu&#x0364;r&#x2019; zu Thu&#x0364;r&#x2019; gekrochen<lb/>
und hab&#x2019; gebeten, &#x017F;ie mo&#x0364;chten mich aufnehmen, mir<lb/>
Brot geben; ich wollte fu&#x0364;r &#x017F;ie arbeiten. Zuer&#x017F;t, wenn<lb/>
&#x017F;ie mich neugierig betrachtet, zi&#x017F;chelten &#x017F;ie unter einan-<lb/>
der: Das i&#x017F;t ein &#x017F;cho&#x0364;ner Junge! Wenn &#x017F;ie mich aber<lb/>
um meine Herkunft fragten und ich &#x017F;agte ihnen die<lb/>
Wahrheit, da &#x017F;chrieen &#x017F;ie auf: Was? den Sohn eines<lb/>
Mo&#x0364;rders in&#x2019;s Haus nehmen? Geh&#x2019; an den Galgen<lb/>
zu Deinem Herrn Papa! Und &#x017F;ie hetzten mich mit<lb/>
Hunden. Damals wollt&#x2019; ich gut thun; die <hi rendition="#g">Men-<lb/>
&#x017F;chen</hi> wollten&#x2019;s nicht haben. Jetzt will <hi rendition="#g">ich</hi> nicht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Du wir&#x017F;t Dich aber zu Grunde richten mit Dei-<lb/>
nem ha&#x0364;ßlichen Saufen. Du wir&#x017F;t immer kra&#x0364;nker<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0054] das ewige Fieber haͤtte, da wollt’ ich ſchon noch viel ſchlechter ſein! Soll ich etwa auch nicht? Wes- halb ſollt’ ich’s mit den Menſchen gut meinen? Sind ſie gut gegen mich? Von meiner Mutter hab’ ich nichts als Fußtritte gehabt; meine Nahrung mußt’ ich mir ſelbſt zuſammenbetteln, oder ſtehlen; und dann nahm ſie mir fort, was mir gehoͤrte. Der Vater trieb ſich mit Dirnen herum; ſobald ich ihn um etwas bat, ſchlug er nach mir, gleichviel, ob mit der Fauſt, oder mit einem Stuͤck Holz. Als ſie ihn druͤben aufge- haͤngt hatten, weil er einen Landjuden todtgeſtochen und beraubt, bin ich von Thuͤr’ zu Thuͤr’ gekrochen und hab’ gebeten, ſie moͤchten mich aufnehmen, mir Brot geben; ich wollte fuͤr ſie arbeiten. Zuerſt, wenn ſie mich neugierig betrachtet, ziſchelten ſie unter einan- der: Das iſt ein ſchoͤner Junge! Wenn ſie mich aber um meine Herkunft fragten und ich ſagte ihnen die Wahrheit, da ſchrieen ſie auf: Was? den Sohn eines Moͤrders in’s Haus nehmen? Geh’ an den Galgen zu Deinem Herrn Papa! Und ſie hetzten mich mit Hunden. Damals wollt’ ich gut thun; die Men- ſchen wollten’s nicht haben. Jetzt will ich nicht.“ Du wirſt Dich aber zu Grunde richten mit Dei- nem haͤßlichen Saufen. Du wirſt immer kraͤnker

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/54
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/54>, abgerufen am 23.11.2024.