Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

bleiben? Sei nicht boshaft und lass' mich ausreden.
Als ich im Cirkus bei Guillaume war --

"Ah, Madame Guillaume!"

Lass' mich ganz ausreden; unterbrich mich nicht.
Und wenn ich fertig bin ist die Reihe an Dir.
Als ich bei Guillaume war, und ritt, verwunder-
ten Er und seine Leute sich über mein angebore-
nes Reiter-Talent. Angeboren mußt' es sein,
denn ich hatte vorher noch niemals ein Pferd bestie-
gen, -- wenn Du nicht den Ziegenbock so nennen
willst, den unser Gemeindehirt in Liebenau zur
Ergötzlichkeit seiner Kinder hielt. Mir kam es vor, als
ich im Sattel saß, wie wenn ich schon häufig davon
geträumt und mich im Traume geübt hätte, wie
wenn diese Träume jetzt in Erfüllung gingen. Jch
fühlte mich ein ganz anderer Mensch! Du untersag-
test mir damals, Guillaume's wieder zu besuchen, --
und ich gehorchte. Das gilt jetzt nichts mehr. Wie
wir jetzt mit einander stehen, kann das kein Hinder-
niß meines Planes sein und Du wirst nicht argwöh-
nen, daß ein armer Junge, dem Du Dein volles
Vertrauen und mit diesem Dich Selbst geschenkt hast,
Dich auch nur durch eine Silbe verrathen, Dich
mit Undank belohnen könnte. Wie wenn wir nun

Die Vagabunden. I. 22

bleiben? Sei nicht boshaft und laſſ’ mich ausreden.
Als ich im Cirkus bei Guillaume war —

„Ah, Madame Guillaume!“

Laſſ’ mich ganz ausreden; unterbrich mich nicht.
Und wenn ich fertig bin iſt die Reihe an Dir.
Als ich bei Guillaume war, und ritt, verwunder-
ten Er und ſeine Leute ſich uͤber mein angebore-
nes Reiter-Talent. Angeboren mußt’ es ſein,
denn ich hatte vorher noch niemals ein Pferd beſtie-
gen, — wenn Du nicht den Ziegenbock ſo nennen
willſt, den unſer Gemeindehirt in Liebenau zur
Ergoͤtzlichkeit ſeiner Kinder hielt. Mir kam es vor, als
ich im Sattel ſaß, wie wenn ich ſchon haͤufig davon
getraͤumt und mich im Traume geuͤbt haͤtte, wie
wenn dieſe Traͤume jetzt in Erfuͤllung gingen. Jch
fuͤhlte mich ein ganz anderer Menſch! Du unterſag-
teſt mir damals, Guillaume’s wieder zu beſuchen, —
und ich gehorchte. Das gilt jetzt nichts mehr. Wie
wir jetzt mit einander ſtehen, kann das kein Hinder-
niß meines Planes ſein und Du wirſt nicht argwoͤh-
nen, daß ein armer Junge, dem Du Dein volles
Vertrauen und mit dieſem Dich Selbſt geſchenkt haſt,
Dich auch nur durch eine Silbe verrathen, Dich
mit Undank belohnen koͤnnte. Wie wenn wir nun

Die Vagabunden. I. 22
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0353" n="337"/>
bleiben? Sei nicht boshaft und la&#x017F;&#x017F;&#x2019; mich ausreden.<lb/>
Als ich im Cirkus bei Guillaume war &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ah, Madame Guillaume!&#x201C;</p><lb/>
        <p>La&#x017F;&#x017F;&#x2019; mich ganz ausreden; unterbrich mich nicht.<lb/>
Und wenn ich fertig bin i&#x017F;t die Reihe an Dir.<lb/>
Als ich bei Guillaume war, und ritt, verwunder-<lb/>
ten Er und &#x017F;eine Leute &#x017F;ich u&#x0364;ber mein angebore-<lb/>
nes Reiter-Talent. Angeboren mußt&#x2019; es &#x017F;ein,<lb/>
denn ich hatte vorher noch niemals ein Pferd be&#x017F;tie-<lb/>
gen, &#x2014; wenn Du nicht den Ziegenbock &#x017F;o nennen<lb/>
will&#x017F;t, den un&#x017F;er Gemeindehirt in Liebenau zur<lb/>
Ergo&#x0364;tzlichkeit &#x017F;einer Kinder hielt. Mir kam es vor, als<lb/>
ich im Sattel &#x017F;aß, wie wenn ich &#x017F;chon ha&#x0364;ufig davon<lb/>
getra&#x0364;umt und mich im Traume geu&#x0364;bt ha&#x0364;tte, wie<lb/>
wenn die&#x017F;e Tra&#x0364;ume jetzt in Erfu&#x0364;llung gingen. Jch<lb/>
fu&#x0364;hlte mich ein ganz anderer Men&#x017F;ch! Du unter&#x017F;ag-<lb/>
te&#x017F;t mir damals, Guillaume&#x2019;s wieder zu be&#x017F;uchen, &#x2014;<lb/>
und ich gehorchte. Das gilt jetzt nichts mehr. Wie<lb/>
wir jetzt mit einander &#x017F;tehen, kann das kein Hinder-<lb/>
niß meines Planes &#x017F;ein und Du wir&#x017F;t nicht argwo&#x0364;h-<lb/>
nen, daß ein armer Junge, dem Du Dein volles<lb/>
Vertrauen und mit die&#x017F;em Dich Selb&#x017F;t ge&#x017F;chenkt ha&#x017F;t,<lb/>
Dich auch nur durch eine Silbe verrathen, Dich<lb/>
mit Undank belohnen ko&#x0364;nnte. Wie wenn wir nun<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Die Vagabunden. <hi rendition="#aq">I.</hi> 22</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[337/0353] bleiben? Sei nicht boshaft und laſſ’ mich ausreden. Als ich im Cirkus bei Guillaume war — „Ah, Madame Guillaume!“ Laſſ’ mich ganz ausreden; unterbrich mich nicht. Und wenn ich fertig bin iſt die Reihe an Dir. Als ich bei Guillaume war, und ritt, verwunder- ten Er und ſeine Leute ſich uͤber mein angebore- nes Reiter-Talent. Angeboren mußt’ es ſein, denn ich hatte vorher noch niemals ein Pferd beſtie- gen, — wenn Du nicht den Ziegenbock ſo nennen willſt, den unſer Gemeindehirt in Liebenau zur Ergoͤtzlichkeit ſeiner Kinder hielt. Mir kam es vor, als ich im Sattel ſaß, wie wenn ich ſchon haͤufig davon getraͤumt und mich im Traume geuͤbt haͤtte, wie wenn dieſe Traͤume jetzt in Erfuͤllung gingen. Jch fuͤhlte mich ein ganz anderer Menſch! Du unterſag- teſt mir damals, Guillaume’s wieder zu beſuchen, — und ich gehorchte. Das gilt jetzt nichts mehr. Wie wir jetzt mit einander ſtehen, kann das kein Hinder- niß meines Planes ſein und Du wirſt nicht argwoͤh- nen, daß ein armer Junge, dem Du Dein volles Vertrauen und mit dieſem Dich Selbſt geſchenkt haſt, Dich auch nur durch eine Silbe verrathen, Dich mit Undank belohnen koͤnnte. Wie wenn wir nun Die Vagabunden. I. 22

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/353
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/353>, abgerufen am 23.11.2024.