Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

würd' es oben unter dem Dache hell. Von den
kleinen Sternen kann das nicht kommen. --

"Antoine!" hört er, wie über sich, flüstern. Er
erhob sich. Das Licht drang aus dem anstoßenden
Gebäude herüber. Augenblicklich schwang er sich
an einem Querbalken hinauf und schon auf halbem
Wege wurd er von Laura's Armen umschlungen.
Sie blieb im Klettern hinter ihm nicht zurück.

"Wofür wär ich denn die Frau des fameusesten
Tremplin-Springers gewesen, wenn ich von ihm
nicht gelernt haben sollte? Meine Frau Mutter hat
die Thür geschlossen, -- ich hätte sie für so boshaft
nicht gehalten, -- aber zum Glück giebt es noch
Kammern, und giebt Fenster die aus diesen Kammern
in Höfe führen. Komm' herab, mein Engel, fort
von diesem häßlichen harten Stroh; es riecht übel.
Von hier duftet mir Heu entgegen. Jch liebe den
Geruch des Heu's. Man denkt an blühende Wiesen,
an idyllische Hirten, an Frühling und zärtliche Vögel,
die in den Zweigen nisten."

Jch wußte ja, daß Du kommen müßtest, sprach
Anton, ob es gleich unmöglich war.

"Nichts ist unmöglich für die Liebe," sagte Laura.

Weiter sprachen und sagten sie nichts mehr.



wuͤrd’ es oben unter dem Dache hell. Von den
kleinen Sternen kann das nicht kommen. —

„Antoine!“ hoͤrt er, wie uͤber ſich, fluͤſtern. Er
erhob ſich. Das Licht drang aus dem anſtoßenden
Gebaͤude heruͤber. Augenblicklich ſchwang er ſich
an einem Querbalken hinauf und ſchon auf halbem
Wege wurd er von Laura’s Armen umſchlungen.
Sie blieb im Klettern hinter ihm nicht zuruͤck.

„Wofuͤr waͤr ich denn die Frau des fameuſeſten
Tremplin-Springers geweſen, wenn ich von ihm
nicht gelernt haben ſollte? Meine Frau Mutter hat
die Thuͤr geſchloſſen, — ich haͤtte ſie fuͤr ſo boshaft
nicht gehalten, — aber zum Gluͤck giebt es noch
Kammern, und giebt Fenſter die aus dieſen Kammern
in Hoͤfe fuͤhren. Komm’ herab, mein Engel, fort
von dieſem haͤßlichen harten Stroh; es riecht uͤbel.
Von hier duftet mir Heu entgegen. Jch liebe den
Geruch des Heu’s. Man denkt an bluͤhende Wieſen,
an idylliſche Hirten, an Fruͤhling und zaͤrtliche Voͤgel,
die in den Zweigen niſten.“

Jch wußte ja, daß Du kommen muͤßteſt, ſprach
Anton, ob es gleich unmoͤglich war.

„Nichts iſt unmoͤglich fuͤr die Liebe,“ ſagte Laura.

Weiter ſprachen und ſagten ſie nichts mehr.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0336" n="320"/>
wu&#x0364;rd&#x2019; es oben unter dem Dache hell. Von den<lb/>
kleinen Sternen kann das nicht kommen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Antoine!&#x201C; ho&#x0364;rt er, wie u&#x0364;ber &#x017F;ich, flu&#x0364;&#x017F;tern. Er<lb/>
erhob &#x017F;ich. Das Licht drang aus dem an&#x017F;toßenden<lb/>
Geba&#x0364;ude heru&#x0364;ber. Augenblicklich &#x017F;chwang er &#x017F;ich<lb/>
an einem Querbalken hinauf und &#x017F;chon auf halbem<lb/>
Wege wurd er von Laura&#x2019;s Armen um&#x017F;chlungen.<lb/>
Sie blieb im Klettern hinter ihm nicht zuru&#x0364;ck.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wofu&#x0364;r wa&#x0364;r ich denn die Frau des fameu&#x017F;e&#x017F;ten<lb/>
Tremplin-Springers gewe&#x017F;en, wenn ich von ihm<lb/>
nicht gelernt haben &#x017F;ollte? Meine Frau Mutter hat<lb/>
die Thu&#x0364;r ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, &#x2014; ich ha&#x0364;tte &#x017F;ie fu&#x0364;r &#x017F;o boshaft<lb/>
nicht gehalten, &#x2014; aber zum Glu&#x0364;ck giebt es noch<lb/>
Kammern, und giebt Fen&#x017F;ter die aus die&#x017F;en Kammern<lb/>
in Ho&#x0364;fe fu&#x0364;hren. Komm&#x2019; herab, mein Engel, fort<lb/>
von die&#x017F;em ha&#x0364;ßlichen harten Stroh; es riecht u&#x0364;bel.<lb/>
Von hier duftet mir Heu entgegen. Jch liebe den<lb/>
Geruch des Heu&#x2019;s. Man denkt an blu&#x0364;hende Wie&#x017F;en,<lb/>
an idylli&#x017F;che Hirten, an Fru&#x0364;hling und za&#x0364;rtliche Vo&#x0364;gel,<lb/>
die in den Zweigen ni&#x017F;ten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Jch wußte ja, daß Du kommen mu&#x0364;ßte&#x017F;t, &#x017F;prach<lb/>
Anton, ob es gleich unmo&#x0364;glich war.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nichts i&#x017F;t unmo&#x0364;glich fu&#x0364;r die Liebe,&#x201C; &#x017F;agte Laura.</p><lb/>
        <p>Weiter &#x017F;prachen und &#x017F;agten &#x017F;ie nichts mehr.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0336] wuͤrd’ es oben unter dem Dache hell. Von den kleinen Sternen kann das nicht kommen. — „Antoine!“ hoͤrt er, wie uͤber ſich, fluͤſtern. Er erhob ſich. Das Licht drang aus dem anſtoßenden Gebaͤude heruͤber. Augenblicklich ſchwang er ſich an einem Querbalken hinauf und ſchon auf halbem Wege wurd er von Laura’s Armen umſchlungen. Sie blieb im Klettern hinter ihm nicht zuruͤck. „Wofuͤr waͤr ich denn die Frau des fameuſeſten Tremplin-Springers geweſen, wenn ich von ihm nicht gelernt haben ſollte? Meine Frau Mutter hat die Thuͤr geſchloſſen, — ich haͤtte ſie fuͤr ſo boshaft nicht gehalten, — aber zum Gluͤck giebt es noch Kammern, und giebt Fenſter die aus dieſen Kammern in Hoͤfe fuͤhren. Komm’ herab, mein Engel, fort von dieſem haͤßlichen harten Stroh; es riecht uͤbel. Von hier duftet mir Heu entgegen. Jch liebe den Geruch des Heu’s. Man denkt an bluͤhende Wieſen, an idylliſche Hirten, an Fruͤhling und zaͤrtliche Voͤgel, die in den Zweigen niſten.“ Jch wußte ja, daß Du kommen muͤßteſt, ſprach Anton, ob es gleich unmoͤglich war. „Nichts iſt unmoͤglich fuͤr die Liebe,“ ſagte Laura. Weiter ſprachen und ſagten ſie nichts mehr.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/336
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/336>, abgerufen am 24.11.2024.