noch nicht mit ihr darüber gesprochen, aber sie ver- birgt ihren Unwillen nicht. Gleichviel! Jch kann nicht anders. Seit ich von Amelot getrennt bin, hab' ich bei ihr gelebt, gleich einem vierzehnjährigen Mädchen das aus der Pension tritt. Das Herz hat auch seine Rechte. Jch habe lange genug dawider gestritten. Nun will ich leben!"
Laura, erwiederte Anton, sehr ernst und feierlich, indem er sich Mühe gab, den Amtston des guten Karich nachzuahmen, wie er denselben so oft von der Liebenauer Kanzel vernommen, das ist jetzt meine Sache. Wenn der Mann zu einem Weibe steht, wie ich zu Dir, dann gebietet ihm seine Pflicht zu han- deln! Jch werde morgen mit Deiner Mutter sprechen und in aller Form um Deine Hand bitten.
Die eigentliche Bedeutung dieser Anrede war Laura'n entgangen. Sie hörte nur heraus, daß Anton sich der Mutter entdecken wolle.
"Bist Du von Sinnen?" rief sie aus, wobei sie ihre kleinen Füße, im Sande watend, kaum vom Flecke brachte; "bist Du völlig wahnsinnig? Du wirst doch nicht so unverschämt sein, der Mutter zu erzählen, daß die Tochter Dich erhört hat?"
noch nicht mit ihr daruͤber geſprochen, aber ſie ver- birgt ihren Unwillen nicht. Gleichviel! Jch kann nicht anders. Seit ich von Amelot getrennt bin, hab’ ich bei ihr gelebt, gleich einem vierzehnjaͤhrigen Maͤdchen das aus der Penſion tritt. Das Herz hat auch ſeine Rechte. Jch habe lange genug dawider geſtritten. Nun will ich leben!“
Laura, erwiederte Anton, ſehr ernſt und feierlich, indem er ſich Muͤhe gab, den Amtston des guten Karich nachzuahmen, wie er denſelben ſo oft von der Liebenauer Kanzel vernommen, das iſt jetzt meine Sache. Wenn der Mann zu einem Weibe ſteht, wie ich zu Dir, dann gebietet ihm ſeine Pflicht zu han- deln! Jch werde morgen mit Deiner Mutter ſprechen und in aller Form um Deine Hand bitten.
Die eigentliche Bedeutung dieſer Anrede war Laura’n entgangen. Sie hoͤrte nur heraus, daß Anton ſich der Mutter entdecken wolle.
„Biſt Du von Sinnen?“ rief ſie aus, wobei ſie ihre kleinen Fuͤße, im Sande watend, kaum vom Flecke brachte; „biſt Du voͤllig wahnſinnig? Du wirſt doch nicht ſo unverſchaͤmt ſein, der Mutter zu erzaͤhlen, daß die Tochter Dich erhoͤrt hat?“
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noch nicht mit ihr daruͤber geſprochen, aber ſie ver-
birgt ihren Unwillen nicht. Gleichviel! Jch kann
nicht anders. Seit ich von Amelot getrennt bin,
hab’ ich bei ihr gelebt, gleich einem vierzehnjaͤhrigen
Maͤdchen das aus der Penſion tritt. Das Herz hat
auch ſeine Rechte. Jch habe lange genug dawider
geſtritten. Nun will ich leben!“
Laura, erwiederte Anton, ſehr ernſt und feierlich,
indem er ſich Muͤhe gab, den Amtston des guten
Karich nachzuahmen, wie er denſelben ſo oft von der
Liebenauer Kanzel vernommen, das iſt jetzt meine
Sache. Wenn der Mann zu einem Weibe ſteht, wie
ich zu Dir, dann gebietet ihm ſeine Pflicht zu han-
deln! Jch werde morgen mit Deiner Mutter ſprechen
und in aller Form um Deine Hand bitten.
Die eigentliche Bedeutung dieſer Anrede war
Laura’n entgangen. Sie hoͤrte nur heraus, daß
Anton ſich der Mutter entdecken wolle.
„Biſt Du von Sinnen?“ rief ſie aus, wobei ſie ihre
kleinen Fuͤße, im Sande watend, kaum vom Flecke
brachte; „biſt Du voͤllig wahnſinnig? Du wirſt doch
nicht ſo unverſchaͤmt ſein, der Mutter zu erzaͤhlen,
daß die Tochter Dich erhoͤrt hat?“
Aber, theuerſte Freundin, entgegnete unerſchuͤtter-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/330>, abgerufen am 24.11.2024.
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