Hauptquartier des afrikanisch-asiatisch-südamerika- nischen Streif- und gestreiften (unfreien) Freicorps ein. Er hinderte nicht nur durch beschleunigten Marschbefehl, die zarten Myrthenreiser, die Pierre und Jean in den Boden des nachtwächterlichen Gartens gepflanzt, Wurzeln zu treiben und Blüthen anzu- setzen für Brautkränze; -- er störte auch Anton's Verkehr und Umgang mit Laura.
Ueberall gab es zu thun, zu ordnen, zu bereiten, überall mußten Alle Hand anlegen; überall war Madame Simonelli; über Allen und auf Alles hatte sie die Augen der Gebieterin. Es wurde den Lieben- den fast unmöglich, eine ungestörte Minute zu finden; ein vertrautes Wort zu wechseln. Vor wenigen Tagen noch hätte Anton sich dieser Nothwendigkeit wie jeder anderen entsagend gefügt. Das war jetzt nicht mehr so. Der Wanderer der halb verdurstend in Staub und Hitze einherzieht, mag wohl nach Labung seufzen; dennoch wändert er, auch ohne sie. Reicht ihm aber einen Krug frischen Wassers hin, mit dem Vorbehalt, daß er nur nippen dürfe, laßt ihn einen Zug thun, -- und dann seht zu, ob ihr ihm den Krug so leicht entwinden werdet!
Anton, in seinem strengen Rechtlichkeitssinne,
Hauptquartier des afrikaniſch-aſiatiſch-ſuͤdamerika- niſchen Streif- und geſtreiften (unfreien) Freicorps ein. Er hinderte nicht nur durch beſchleunigten Marſchbefehl, die zarten Myrthenreiſer, die Pierre und Jean in den Boden des nachtwaͤchterlichen Gartens gepflanzt, Wurzeln zu treiben und Bluͤthen anzu- ſetzen fuͤr Brautkraͤnze; — er ſtoͤrte auch Anton’s Verkehr und Umgang mit Laura.
Ueberall gab es zu thun, zu ordnen, zu bereiten, uͤberall mußten Alle Hand anlegen; uͤberall war Madame Simonelli; uͤber Allen und auf Alles hatte ſie die Augen der Gebieterin. Es wurde den Lieben- den faſt unmoͤglich, eine ungeſtoͤrte Minute zu finden; ein vertrautes Wort zu wechſeln. Vor wenigen Tagen noch haͤtte Anton ſich dieſer Nothwendigkeit wie jeder anderen entſagend gefuͤgt. Das war jetzt nicht mehr ſo. Der Wanderer der halb verdurſtend in Staub und Hitze einherzieht, mag wohl nach Labung ſeufzen; dennoch waͤndert er, auch ohne ſie. Reicht ihm aber einen Krug friſchen Waſſers hin, mit dem Vorbehalt, daß er nur nippen duͤrfe, laßt ihn einen Zug thun, — und dann ſeht zu, ob ihr ihm den Krug ſo leicht entwinden werdet!
Anton, in ſeinem ſtrengen Rechtlichkeitsſinne,
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Hauptquartier des afrikaniſch-aſiatiſch-ſuͤdamerika-
niſchen Streif- und geſtreiften (unfreien) Freicorps
ein. Er hinderte nicht nur durch beſchleunigten
Marſchbefehl, die zarten Myrthenreiſer, die Pierre und
Jean in den Boden des nachtwaͤchterlichen Gartens
gepflanzt, Wurzeln zu treiben und Bluͤthen anzu-
ſetzen fuͤr Brautkraͤnze; — er ſtoͤrte auch Anton’s
Verkehr und Umgang mit Laura.
Ueberall gab es zu thun, zu ordnen, zu bereiten,
uͤberall mußten Alle Hand anlegen; uͤberall war
Madame Simonelli; uͤber Allen und auf Alles hatte
ſie die Augen der Gebieterin. Es wurde den Lieben-
den faſt unmoͤglich, eine ungeſtoͤrte Minute zu finden;
ein vertrautes Wort zu wechſeln. Vor wenigen
Tagen noch haͤtte Anton ſich dieſer Nothwendigkeit
wie jeder anderen entſagend gefuͤgt. Das war jetzt
nicht mehr ſo. Der Wanderer der halb verdurſtend
in Staub und Hitze einherzieht, mag wohl nach
Labung ſeufzen; dennoch waͤndert er, auch ohne ſie.
Reicht ihm aber einen Krug friſchen Waſſers hin,
mit dem Vorbehalt, daß er nur nippen duͤrfe, laßt
ihn einen Zug thun, — und dann ſeht zu, ob ihr ihm
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/327>, abgerufen am 24.11.2024.
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