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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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gegenwärtigen Stimmung kaum erwünschter darbie-
ten konnte. Jhn reizte die Aussicht auf eine Nacht
unter wilden Thieren, allen Menschen fern, einsam
und ungestört mit den Träumen, die etwa kommen
würden, ihn zu besuchen. Deshalb machte er zu Hause
förmlich Anzeige, daß Pierre und Jean Urlaub wünsch-
ten und unterstützte ihr Gesuch, durch sein Anerbie-
ten, sie pflichtgetreu zu vertreten. Madame Simonelli
fand nichts einzuwenden. Laura verrieth Unruhe,
und gab ein mißfälliges Erstaunen kund, welches der
Bittsteller scheinbar nicht zu bemerken den Muth
besaß.

So nimm denn Spieß und Horn, frühergrauter
-- Schultze. -- Jch muß eingestehen, daß ich des
Nachtwächters Namen nicht kenne. Um einigermaßen
sicher zu gehen, ergreife ich in der Noth einen von
jenen Hauptnamen, auf die mehr oder weniger alle
Deutsche hören! -- Geh' Deines Weges, Schultze,
nach dem abgelegenen Stadtviertel, Stunden abzu-
singen, welche Dir unendlich dünken. Deinen Töch-
tern, fürcht' ich, werden sie zu rasch vorüberfliehen.

"Der Klock" hatte Zehn geschlagen, und "Gott
der Herr war gelobt!" Pierre und Jean schlichen
davon, die Thür' nur lose anlegend; fest überzeugt,

gegenwaͤrtigen Stimmung kaum erwuͤnſchter darbie-
ten konnte. Jhn reizte die Ausſicht auf eine Nacht
unter wilden Thieren, allen Menſchen fern, einſam
und ungeſtoͤrt mit den Traͤumen, die etwa kommen
wuͤrden, ihn zu beſuchen. Deshalb machte er zu Hauſe
foͤrmlich Anzeige, daß Pierre und Jean Urlaub wuͤnſch-
ten und unterſtuͤtzte ihr Geſuch, durch ſein Anerbie-
ten, ſie pflichtgetreu zu vertreten. Madame Simonelli
fand nichts einzuwenden. Laura verrieth Unruhe,
und gab ein mißfaͤlliges Erſtaunen kund, welches der
Bittſteller ſcheinbar nicht zu bemerken den Muth
beſaß.

So nimm denn Spieß und Horn, fruͤhergrauter
— Schultze. — Jch muß eingeſtehen, daß ich des
Nachtwaͤchters Namen nicht kenne. Um einigermaßen
ſicher zu gehen, ergreife ich in der Noth einen von
jenen Hauptnamen, auf die mehr oder weniger alle
Deutſche hoͤren! — Geh’ Deines Weges, Schultze,
nach dem abgelegenen Stadtviertel, Stunden abzu-
ſingen, welche Dir unendlich duͤnken. Deinen Toͤch-
tern, fuͤrcht’ ich, werden ſie zu raſch voruͤberfliehen.

„Der Klock“ hatte Zehn geſchlagen, und „Gott
der Herr war gelobt!“ Pierre und Jean ſchlichen
davon, die Thuͤr’ nur loſe anlegend; feſt uͤberzeugt,

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[303/0319] gegenwaͤrtigen Stimmung kaum erwuͤnſchter darbie- ten konnte. Jhn reizte die Ausſicht auf eine Nacht unter wilden Thieren, allen Menſchen fern, einſam und ungeſtoͤrt mit den Traͤumen, die etwa kommen wuͤrden, ihn zu beſuchen. Deshalb machte er zu Hauſe foͤrmlich Anzeige, daß Pierre und Jean Urlaub wuͤnſch- ten und unterſtuͤtzte ihr Geſuch, durch ſein Anerbie- ten, ſie pflichtgetreu zu vertreten. Madame Simonelli fand nichts einzuwenden. Laura verrieth Unruhe, und gab ein mißfaͤlliges Erſtaunen kund, welches der Bittſteller ſcheinbar nicht zu bemerken den Muth beſaß. So nimm denn Spieß und Horn, fruͤhergrauter — Schultze. — Jch muß eingeſtehen, daß ich des Nachtwaͤchters Namen nicht kenne. Um einigermaßen ſicher zu gehen, ergreife ich in der Noth einen von jenen Hauptnamen, auf die mehr oder weniger alle Deutſche hoͤren! — Geh’ Deines Weges, Schultze, nach dem abgelegenen Stadtviertel, Stunden abzu- ſingen, welche Dir unendlich duͤnken. Deinen Toͤch- tern, fuͤrcht’ ich, werden ſie zu raſch voruͤberfliehen. „Der Klock“ hatte Zehn geſchlagen, und „Gott der Herr war gelobt!“ Pierre und Jean ſchlichen davon, die Thuͤr’ nur loſe anlegend; feſt uͤberzeugt,

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/319>, abgerufen am 24.11.2024.