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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Abreise von D. Neuer Aufenthalt in K. -- Lili's Park. -- Roth- und Schwarz-
bart lieben ernsthaft; Anton wacht für sie. Er hat eine Erscheinung, die nur
Schein ist. Dann noch eine, die Wirklichkeit wird.

Madame Laura Amelot scheint denn doch keine
gewöhnliche Frau zu sein. Nachdem die Eifersucht
ausgetobt, hat sie wieder weibliche Fassung und
Würde gewonnen. Sie benimmt sich, als wäre zwi-
schen Anton und ihr weiter nichts vorgefallen und er
weiß abermals nicht, woran er ist. Wir finden sie
auf der Reise durch einige kleinere Städte, in welchen
ihr Weilen von ganz kurzer Dauer ist und holen sie,
nach Verlauf eines Monates etwa, in K. ein, wo sie
sich des Breiteren festgesetzt haben, ohne daß im Ver-
hältniß der Liebenden irgend ein bemerkenswerther
äußerlicher Wechsel eingetreten wäre, wobei aller-
dings nicht zu verhehlen, daß sich Anton innerlich
bedeutend verändert hat. Seine Träume sind Wünsche
geworden, seine Wünsche Begierden. Sie waren
einige Tage hindurch Hoffnungen. Diesen letzteren
hat Laura's Zurückhaltung die Flügel gestutzt und
nun kriechen sie, ohne Aufschwung, fast erbittert am
Boden umher, wo ihr Anblick ihm die Heiterkeit

Sechsundzwanzigſtes Kapitel.

Abreiſe von D. Neuer Aufenthalt in K. — Lili’s Park. — Roth- und Schwarz-
bart lieben ernſthaft; Anton wacht für ſie. Er hat eine Erſcheinung, die nur
Schein iſt. Dann noch eine, die Wirklichkeit wird.

Madame Laura Amelot ſcheint denn doch keine
gewoͤhnliche Frau zu ſein. Nachdem die Eiferſucht
ausgetobt, hat ſie wieder weibliche Faſſung und
Wuͤrde gewonnen. Sie benimmt ſich, als waͤre zwi-
ſchen Anton und ihr weiter nichts vorgefallen und er
weiß abermals nicht, woran er iſt. Wir finden ſie
auf der Reiſe durch einige kleinere Staͤdte, in welchen
ihr Weilen von ganz kurzer Dauer iſt und holen ſie,
nach Verlauf eines Monates etwa, in K. ein, wo ſie
ſich des Breiteren feſtgeſetzt haben, ohne daß im Ver-
haͤltniß der Liebenden irgend ein bemerkenswerther
aͤußerlicher Wechſel eingetreten waͤre, wobei aller-
dings nicht zu verhehlen, daß ſich Anton innerlich
bedeutend veraͤndert hat. Seine Traͤume ſind Wuͤnſche
geworden, ſeine Wuͤnſche Begierden. Sie waren
einige Tage hindurch Hoffnungen. Dieſen letzteren
hat Laura’s Zuruͤckhaltung die Fluͤgel geſtutzt und
nun kriechen ſie, ohne Aufſchwung, faſt erbittert am
Boden umher, wo ihr Anblick ihm die Heiterkeit

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[296/0312] Sechsundzwanzigſtes Kapitel. Abreiſe von D. Neuer Aufenthalt in K. — Lili’s Park. — Roth- und Schwarz- bart lieben ernſthaft; Anton wacht für ſie. Er hat eine Erſcheinung, die nur Schein iſt. Dann noch eine, die Wirklichkeit wird. Madame Laura Amelot ſcheint denn doch keine gewoͤhnliche Frau zu ſein. Nachdem die Eiferſucht ausgetobt, hat ſie wieder weibliche Faſſung und Wuͤrde gewonnen. Sie benimmt ſich, als waͤre zwi- ſchen Anton und ihr weiter nichts vorgefallen und er weiß abermals nicht, woran er iſt. Wir finden ſie auf der Reiſe durch einige kleinere Staͤdte, in welchen ihr Weilen von ganz kurzer Dauer iſt und holen ſie, nach Verlauf eines Monates etwa, in K. ein, wo ſie ſich des Breiteren feſtgeſetzt haben, ohne daß im Ver- haͤltniß der Liebenden irgend ein bemerkenswerther aͤußerlicher Wechſel eingetreten waͤre, wobei aller- dings nicht zu verhehlen, daß ſich Anton innerlich bedeutend veraͤndert hat. Seine Traͤume ſind Wuͤnſche geworden, ſeine Wuͤnſche Begierden. Sie waren einige Tage hindurch Hoffnungen. Dieſen letzteren hat Laura’s Zuruͤckhaltung die Fluͤgel geſtutzt und nun kriechen ſie, ohne Aufſchwung, faſt erbittert am Boden umher, wo ihr Anblick ihm die Heiterkeit

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/312>, abgerufen am 24.11.2024.