kehrend, ihn erweckten, wo er sich dann hinüber zu Madame Simonelli begab. Denn er genoß auch den Vorzug, bei ihrer Wohnung sein Stübchen zu haben.
Schon mehreremale hatte er, mit irgend einem Auftrage zufällig und rasch bei ihnen eintretend, ver- nommen, daß er ein Gespräch zwischen Mutter und Tochter unterbrach, welches ihm gegolten. Einzelne Wörter, die er eben noch davon gehört, ließen ihn vermuthen, es sei da von seinen musikalischen Feier- stunden die Rede; auch davon, daß er dieselben bis- weilen mit einem Schläfchen beschließe; ja, daß er schlafend allerlei Geheimnisse ausplaudre. Madame Simonelli neckte ihn einigemale mit einer "verlasse- nen Liebe!" Madame Amelot lächelte dabei vor sich hin, und Anton glaubte seinen Ohren kaum trauen zu dürfen, als er die schöne Frau lispeln hörte: "Till- tonque", was höchst wahrscheinlich "Tieletunke" bedeuten sollte. Diesen Liebenauer Spottnamen konnte man nur aus seinem Munde vernommen und er konnte ihn nur im Traume verrathen haben?! Man hatte ihn also belauscht, während er schlief? Und mit welcher Absicht? Offenbar, um sich zu über- zeugen, ob er auch vorsichtig mit Feuer und Licht umgehe? Denn damit war nicht zu spaßen; das sah
kehrend, ihn erweckten, wo er ſich dann hinuͤber zu Madame Simonelli begab. Denn er genoß auch den Vorzug, bei ihrer Wohnung ſein Stuͤbchen zu haben.
Schon mehreremale hatte er, mit irgend einem Auftrage zufaͤllig und raſch bei ihnen eintretend, ver- nommen, daß er ein Geſpraͤch zwiſchen Mutter und Tochter unterbrach, welches ihm gegolten. Einzelne Woͤrter, die er eben noch davon gehoͤrt, ließen ihn vermuthen, es ſei da von ſeinen muſikaliſchen Feier- ſtunden die Rede; auch davon, daß er dieſelben bis- weilen mit einem Schlaͤfchen beſchließe; ja, daß er ſchlafend allerlei Geheimniſſe ausplaudre. Madame Simonelli neckte ihn einigemale mit einer „verlaſſe- nen Liebe!“ Madame Amelot laͤchelte dabei vor ſich hin, und Anton glaubte ſeinen Ohren kaum trauen zu duͤrfen, als er die ſchoͤne Frau lispeln hoͤrte: „Till- tonque“, was hoͤchſt wahrſcheinlich „Tieletunke“ bedeuten ſollte. Dieſen Liebenauer Spottnamen konnte man nur aus ſeinem Munde vernommen und er konnte ihn nur im Traume verrathen haben?! Man hatte ihn alſo belauſcht, waͤhrend er ſchlief? Und mit welcher Abſicht? Offenbar, um ſich zu uͤber- zeugen, ob er auch vorſichtig mit Feuer und Licht umgehe? Denn damit war nicht zu ſpaßen; das ſah
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0277"n="261"/>
kehrend, ihn erweckten, wo er ſich dann hinuͤber zu<lb/>
Madame Simonelli begab. Denn er genoß auch den<lb/>
Vorzug, bei ihrer Wohnung ſein Stuͤbchen zu haben.</p><lb/><p>Schon mehreremale hatte er, mit irgend einem<lb/>
Auftrage zufaͤllig und raſch bei ihnen eintretend, ver-<lb/>
nommen, daß er ein Geſpraͤch zwiſchen Mutter und<lb/>
Tochter unterbrach, welches ihm gegolten. Einzelne<lb/>
Woͤrter, die er eben noch davon gehoͤrt, ließen ihn<lb/>
vermuthen, es ſei da von ſeinen muſikaliſchen Feier-<lb/>ſtunden die Rede; auch davon, daß er dieſelben bis-<lb/>
weilen mit einem Schlaͤfchen beſchließe; ja, daß er<lb/>ſchlafend allerlei Geheimniſſe ausplaudre. Madame<lb/>
Simonelli neckte ihn einigemale mit einer „verlaſſe-<lb/>
nen Liebe!“ Madame Amelot laͤchelte dabei vor ſich<lb/>
hin, und Anton glaubte ſeinen Ohren kaum trauen zu<lb/>
duͤrfen, als er die ſchoͤne Frau lispeln hoͤrte: <hirendition="#aq">„Till-<lb/>
tonque“,</hi> was hoͤchſt wahrſcheinlich „Tieletunke“<lb/>
bedeuten ſollte. Dieſen Liebenauer Spottnamen<lb/>
konnte man nur aus ſeinem Munde vernommen und<lb/>
er konnte ihn nur im Traume verrathen haben?!<lb/>
Man hatte ihn alſo belauſcht, waͤhrend er ſchlief?<lb/>
Und mit welcher Abſicht? Offenbar, um ſich zu uͤber-<lb/>
zeugen, ob er auch vorſichtig mit Feuer und Licht<lb/>
umgehe? Denn damit war nicht zu ſpaßen; das ſah<lb/></p></div></body></text></TEI>
[261/0277]
kehrend, ihn erweckten, wo er ſich dann hinuͤber zu
Madame Simonelli begab. Denn er genoß auch den
Vorzug, bei ihrer Wohnung ſein Stuͤbchen zu haben.
Schon mehreremale hatte er, mit irgend einem
Auftrage zufaͤllig und raſch bei ihnen eintretend, ver-
nommen, daß er ein Geſpraͤch zwiſchen Mutter und
Tochter unterbrach, welches ihm gegolten. Einzelne
Woͤrter, die er eben noch davon gehoͤrt, ließen ihn
vermuthen, es ſei da von ſeinen muſikaliſchen Feier-
ſtunden die Rede; auch davon, daß er dieſelben bis-
weilen mit einem Schlaͤfchen beſchließe; ja, daß er
ſchlafend allerlei Geheimniſſe ausplaudre. Madame
Simonelli neckte ihn einigemale mit einer „verlaſſe-
nen Liebe!“ Madame Amelot laͤchelte dabei vor ſich
hin, und Anton glaubte ſeinen Ohren kaum trauen zu
duͤrfen, als er die ſchoͤne Frau lispeln hoͤrte: „Till-
tonque“, was hoͤchſt wahrſcheinlich „Tieletunke“
bedeuten ſollte. Dieſen Liebenauer Spottnamen
konnte man nur aus ſeinem Munde vernommen und
er konnte ihn nur im Traume verrathen haben?!
Man hatte ihn alſo belauſcht, waͤhrend er ſchlief?
Und mit welcher Abſicht? Offenbar, um ſich zu uͤber-
zeugen, ob er auch vorſichtig mit Feuer und Licht
umgehe? Denn damit war nicht zu ſpaßen; das ſah
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/277>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.