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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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erlassen haben würde, denn er gefiel ihr sonderbar,
so daß sie an sich halten mußte, um es nicht gar zu
zeigen. Wie jedoch Anton, seine Zeche willig bezah-
lend, scherzhaft fragte: und was macht es für den
da? indem er auf den gefiederten Reisekameraden hin-
wies, -- da konnte die leicht entzündbare Wirthin
nicht umhin, ihm wenigstens mit der Hand durch die
Locken zu streichen, als Beweis ihrer lebhaften, kaum
zu besiegenden Neigung.

Nicht ohne die Korbgeflechte des Wagens einer
oberflächlichen Kenner-Prüfung zu unterwerfen, die
mit einem: "liederliche Arbeit!" endete, bestieg
Anton jenes leichte Gefährt, über welches eine grobe
Leinewand auf schwankende Reifen gezogen, den
Regen nur mäßig durchsieben ließ. Der Wallach
ging im sogenannten Hunde-Trab. Der dicke Mann
schlief ein. Koko zitterte wieder fröstelnd, weshalb
ihn Anton mitleidsvoll, und jetzt schon mit vorsorgen-
der Rücksicht für die schöne Herrin, in sein blaues
Taschentuch hüllte; eine Wohlthat, welche der kluge
Vogel durch unterschiedliche Schnabelküsse vergalt,
ohne dabei zu zwicken.

Erst als Anton sein Kleidermagazin hinter sich
auf und ab tanzen hörte, spürten die müden Schul-

erlaſſen haben wuͤrde, denn er gefiel ihr ſonderbar,
ſo daß ſie an ſich halten mußte, um es nicht gar zu
zeigen. Wie jedoch Anton, ſeine Zeche willig bezah-
lend, ſcherzhaft fragte: und was macht es fuͤr den
da? indem er auf den gefiederten Reiſekameraden hin-
wies, — da konnte die leicht entzuͤndbare Wirthin
nicht umhin, ihm wenigſtens mit der Hand durch die
Locken zu ſtreichen, als Beweis ihrer lebhaften, kaum
zu beſiegenden Neigung.

Nicht ohne die Korbgeflechte des Wagens einer
oberflaͤchlichen Kenner-Pruͤfung zu unterwerfen, die
mit einem: „liederliche Arbeit!“ endete, beſtieg
Anton jenes leichte Gefaͤhrt, uͤber welches eine grobe
Leinewand auf ſchwankende Reifen gezogen, den
Regen nur maͤßig durchſieben ließ. Der Wallach
ging im ſogenannten Hunde-Trab. Der dicke Mann
ſchlief ein. Koko zitterte wieder froͤſtelnd, weshalb
ihn Anton mitleidsvoll, und jetzt ſchon mit vorſorgen-
der Ruͤckſicht fuͤr die ſchoͤne Herrin, in ſein blaues
Taſchentuch huͤllte; eine Wohlthat, welche der kluge
Vogel durch unterſchiedliche Schnabelkuͤſſe vergalt,
ohne dabei zu zwicken.

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auf und ab tanzen hoͤrte, ſpuͤrten die muͤden Schul-

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[239/0255] erlaſſen haben wuͤrde, denn er gefiel ihr ſonderbar, ſo daß ſie an ſich halten mußte, um es nicht gar zu zeigen. Wie jedoch Anton, ſeine Zeche willig bezah- lend, ſcherzhaft fragte: und was macht es fuͤr den da? indem er auf den gefiederten Reiſekameraden hin- wies, — da konnte die leicht entzuͤndbare Wirthin nicht umhin, ihm wenigſtens mit der Hand durch die Locken zu ſtreichen, als Beweis ihrer lebhaften, kaum zu beſiegenden Neigung. Nicht ohne die Korbgeflechte des Wagens einer oberflaͤchlichen Kenner-Pruͤfung zu unterwerfen, die mit einem: „liederliche Arbeit!“ endete, beſtieg Anton jenes leichte Gefaͤhrt, uͤber welches eine grobe Leinewand auf ſchwankende Reifen gezogen, den Regen nur maͤßig durchſieben ließ. Der Wallach ging im ſogenannten Hunde-Trab. Der dicke Mann ſchlief ein. Koko zitterte wieder froͤſtelnd, weshalb ihn Anton mitleidsvoll, und jetzt ſchon mit vorſorgen- der Ruͤckſicht fuͤr die ſchoͤne Herrin, in ſein blaues Taſchentuch huͤllte; eine Wohlthat, welche der kluge Vogel durch unterſchiedliche Schnabelkuͤſſe vergalt, ohne dabei zu zwicken. Erſt als Anton ſein Kleidermagazin hinter ſich auf und ab tanzen hoͤrte, ſpuͤrten die muͤden Schul-

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/255>, abgerufen am 23.11.2024.