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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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Er hatte denselben eigentlich in Form eines Gedan-
kens nur sich selbst mittheilen wollen; wider Absicht
und Willen war eine laute Aeußerung daraus gewor-
den, die keinem der Anwesenden in der Gaststube
entging.

Gleich hier, bei seinem ersten Eintritt in die
Fremde, sollte sich bestätigen, was ich unserem Hel-
den schon vorher abmerkte, als er noch in Liebenau
weilte: seine Persönlichkeit werde ihm der Menschen
günstiges Vorurtheil gewinnen; wer ihn sehe, werde
Wohlwollen für ihn empfinden. Kaum war sein
Vorsatz ausgesprochen, daß auch schon ein dicker
Mann, der drüben bei'm Fenster saß, ihm zurief:
hört, junger Bursch, ich fahre nach R. Für einen
der nicht ganz so dick ist, wie ich, giebt es noch Platz
auf meinem kleinen Korbwagen, und euren Grauen
wird mein grauer Wallach zur Noth noch fortziehen
können. Wenn ihr müde und des Laufens satt seid,
will ich euch mitnehmen, daß ihr im Dreck nicht so
schwer zu tragen braucht. 's geht aber gleich fort.
Anton nahm die Einladung dankbar-gerührt an.
Bald war seine Rechnung berichtiget, welche die
Wirthin, hätte sie nicht ihres grämlichen Hausherren
Luchsauge gefürchtet, dem schmucken Gaste gern

Er hatte denſelben eigentlich in Form eines Gedan-
kens nur ſich ſelbſt mittheilen wollen; wider Abſicht
und Willen war eine laute Aeußerung daraus gewor-
den, die keinem der Anweſenden in der Gaſtſtube
entging.

Gleich hier, bei ſeinem erſten Eintritt in die
Fremde, ſollte ſich beſtaͤtigen, was ich unſerem Hel-
den ſchon vorher abmerkte, als er noch in Liebenau
weilte: ſeine Perſoͤnlichkeit werde ihm der Menſchen
guͤnſtiges Vorurtheil gewinnen; wer ihn ſehe, werde
Wohlwollen fuͤr ihn empfinden. Kaum war ſein
Vorſatz ausgeſprochen, daß auch ſchon ein dicker
Mann, der druͤben bei’m Fenſter ſaß, ihm zurief:
hoͤrt, junger Burſch, ich fahre nach R. Fuͤr einen
der nicht ganz ſo dick iſt, wie ich, giebt es noch Platz
auf meinem kleinen Korbwagen, und euren Grauen
wird mein grauer Wallach zur Noth noch fortziehen
koͤnnen. Wenn ihr muͤde und des Laufens ſatt ſeid,
will ich euch mitnehmen, daß ihr im Dreck nicht ſo
ſchwer zu tragen braucht. ’s geht aber gleich fort.
Anton nahm die Einladung dankbar-geruͤhrt an.
Bald war ſeine Rechnung berichtiget, welche die
Wirthin, haͤtte ſie nicht ihres graͤmlichen Hausherren
Luchsauge gefuͤrchtet, dem ſchmucken Gaſte gern

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[238/0254] Er hatte denſelben eigentlich in Form eines Gedan- kens nur ſich ſelbſt mittheilen wollen; wider Abſicht und Willen war eine laute Aeußerung daraus gewor- den, die keinem der Anweſenden in der Gaſtſtube entging. Gleich hier, bei ſeinem erſten Eintritt in die Fremde, ſollte ſich beſtaͤtigen, was ich unſerem Hel- den ſchon vorher abmerkte, als er noch in Liebenau weilte: ſeine Perſoͤnlichkeit werde ihm der Menſchen guͤnſtiges Vorurtheil gewinnen; wer ihn ſehe, werde Wohlwollen fuͤr ihn empfinden. Kaum war ſein Vorſatz ausgeſprochen, daß auch ſchon ein dicker Mann, der druͤben bei’m Fenſter ſaß, ihm zurief: hoͤrt, junger Burſch, ich fahre nach R. Fuͤr einen der nicht ganz ſo dick iſt, wie ich, giebt es noch Platz auf meinem kleinen Korbwagen, und euren Grauen wird mein grauer Wallach zur Noth noch fortziehen koͤnnen. Wenn ihr muͤde und des Laufens ſatt ſeid, will ich euch mitnehmen, daß ihr im Dreck nicht ſo ſchwer zu tragen braucht. ’s geht aber gleich fort. Anton nahm die Einladung dankbar-geruͤhrt an. Bald war ſeine Rechnung berichtiget, welche die Wirthin, haͤtte ſie nicht ihres graͤmlichen Hausherren Luchsauge gefuͤrchtet, dem ſchmucken Gaſte gern

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/254>, abgerufen am 22.11.2024.