Gesetzes drangen ihm wie eiserne Klammern verwun- dend und beengend in die Brust. Als Kurator der Masse, -- (so nannten sie zu seinem höhnischen Gelächter Garten und Haus und Vieh) -- bestellten sie -- wen? Den alten Korbmacher am andern Ende des Dorfes, den einzigen Gegner den Anton kennt; den brodneidigen Knauser, der seinen jungen Neben- buhler als Pfuscher und Eindringling hasset, denn Anton war niemals bei ihm in der Lehre gewesen; hatte sein Handwerk durch eigenen Antrieb und Fleiß erlernt. Dafür nannt' er's auch eine freie Kunst.
Die Männer des Gesetzes meinten es gut mit dieser Wahl, weil sie von dem Grundsatz ausgingen, Jener, als Handwerksgenosse, sei am besten dazu be- fähiget. Sein Vormund wurde der gute Pastor. Das wäre vielleicht ein ausgleichendes Gegengewicht gewesen, wenn nur der alte Karich durch die Umwäl- zungen auf dem Schlosse, durch seine Armuth, -- denn die Pfarre trug blutwenig und Gebühren zu erpressen war er zu barmherzig, -- und der Söhne Bedürfnisse, nicht so schwer darnieder gebeugt worden wäre. Er besaß die Kraft nicht mehr, für Anton's Rechte männlich einzuschreiten; er begnügte sich achsel- zuckend dem Rechte seinen Lauf zu lassen.
Geſetzes drangen ihm wie eiſerne Klammern verwun- dend und beengend in die Bruſt. Als Kurator der Maſſe, — (ſo nannten ſie zu ſeinem hoͤhniſchen Gelaͤchter Garten und Haus und Vieh) — beſtellten ſie — wen? Den alten Korbmacher am andern Ende des Dorfes, den einzigen Gegner den Anton kennt; den brodneidigen Knauſer, der ſeinen jungen Neben- buhler als Pfuſcher und Eindringling haſſet, denn Anton war niemals bei ihm in der Lehre geweſen; hatte ſein Handwerk durch eigenen Antrieb und Fleiß erlernt. Dafuͤr nannt’ er’s auch eine freie Kunſt.
Die Maͤnner des Geſetzes meinten es gut mit dieſer Wahl, weil ſie von dem Grundſatz ausgingen, Jener, als Handwerksgenoſſe, ſei am beſten dazu be- faͤhiget. Sein Vormund wurde der gute Paſtor. Das waͤre vielleicht ein ausgleichendes Gegengewicht geweſen, wenn nur der alte Karich durch die Umwaͤl- zungen auf dem Schloſſe, durch ſeine Armuth, — denn die Pfarre trug blutwenig und Gebuͤhren zu erpreſſen war er zu barmherzig, — und der Soͤhne Beduͤrfniſſe, nicht ſo ſchwer darnieder gebeugt worden waͤre. Er beſaß die Kraft nicht mehr, fuͤr Anton’s Rechte maͤnnlich einzuſchreiten; er begnuͤgte ſich achſel- zuckend dem Rechte ſeinen Lauf zu laſſen.
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Geſetzes drangen ihm wie eiſerne Klammern verwun-
dend und beengend in die Bruſt. Als Kurator der
Maſſe, — (ſo nannten ſie zu ſeinem hoͤhniſchen
Gelaͤchter Garten und Haus und Vieh) — beſtellten
ſie — wen? Den alten Korbmacher am andern Ende
des Dorfes, den einzigen Gegner den Anton kennt;
den brodneidigen Knauſer, der ſeinen jungen Neben-
buhler als Pfuſcher und Eindringling haſſet, denn
Anton war niemals bei ihm in der Lehre geweſen;
hatte ſein Handwerk durch eigenen Antrieb und Fleiß
erlernt. Dafuͤr nannt’ er’s auch eine freie Kunſt.
Die Maͤnner des Geſetzes meinten es gut mit
dieſer Wahl, weil ſie von dem Grundſatz ausgingen,
Jener, als Handwerksgenoſſe, ſei am beſten dazu be-
faͤhiget. Sein Vormund wurde der gute Paſtor.
Das waͤre vielleicht ein ausgleichendes Gegengewicht
geweſen, wenn nur der alte Karich durch die Umwaͤl-
zungen auf dem Schloſſe, durch ſeine Armuth, —
denn die Pfarre trug blutwenig und Gebuͤhren zu
erpreſſen war er zu barmherzig, — und der Soͤhne
Beduͤrfniſſe, nicht ſo ſchwer darnieder gebeugt worden
waͤre. Er beſaß die Kraft nicht mehr, fuͤr Anton’s
Rechte maͤnnlich einzuſchreiten; er begnuͤgte ſich achſel-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/231>, abgerufen am 24.11.2024.
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