zu nehmen: sie traten von der gefährlichen Erbschaft zurück. Ueber Ottilien hörte er gar nichts. Die Pastorsöhne waren zur Universität abgereiset; der alte Pastor in großer Angst, wie er sie genügend bei ihren Studien unterstützen solle. Jede Verbindung nach Außen schien für Anton abgebrochen; er auf seine Werkstatt im stillen Häuschen beschränkt. Und aus Dankbarkeit, aus kindlicher Liebe für die alte Frau sucht' er sich einzureden, daß er sich nach und nach darein finden müsse. Deshalb gelang es ihm bis- weilen, seine Einsamkeit lieblich auszuschmücken, wenn er sich lebhaft vorstellte, Tieletunke sei die Tochter eines armen, geringen Mannes im Dorfe, -- eines emeritirten Schullehrers etwa -- sie trete bei ihm ein und spreche: mein Vater ist nun auch gestorben; willst Du mich aufnehmen? Darauf würde er mit sanftem Erröthen erwiedern: Gern, Ottilie! Und würde ihr der seeligen Großmutter Zimmer überlassen, sie bedienen, für sie sorgen, sie Braut nennen und da- bei Körbe machen ohn' Ende. Dies eingebildete Glück dauerte denn jedesmal bis ihm die Erinnerung an ihren Kuß bei'm Grabe und an ihr: "Leb' wohl!" wieder wach wurde. Der Ton, womit sie jenes Ab- schiedswort gesprochen, war zu bestimmt, zu deutlich.
zu nehmen: ſie traten von der gefaͤhrlichen Erbſchaft zuruͤck. Ueber Ottilien hoͤrte er gar nichts. Die Paſtorſoͤhne waren zur Univerſitaͤt abgereiſet; der alte Paſtor in großer Angſt, wie er ſie genuͤgend bei ihren Studien unterſtuͤtzen ſolle. Jede Verbindung nach Außen ſchien fuͤr Anton abgebrochen; er auf ſeine Werkſtatt im ſtillen Haͤuschen beſchraͤnkt. Und aus Dankbarkeit, aus kindlicher Liebe fuͤr die alte Frau ſucht’ er ſich einzureden, daß er ſich nach und nach darein finden muͤſſe. Deshalb gelang es ihm bis- weilen, ſeine Einſamkeit lieblich auszuſchmuͤcken, wenn er ſich lebhaft vorſtellte, Tieletunke ſei die Tochter eines armen, geringen Mannes im Dorfe, — eines emeritirten Schullehrers etwa — ſie trete bei ihm ein und ſpreche: mein Vater iſt nun auch geſtorben; willſt Du mich aufnehmen? Darauf wuͤrde er mit ſanftem Erroͤthen erwiedern: Gern, Ottilie! Und wuͤrde ihr der ſeeligen Großmutter Zimmer uͤberlaſſen, ſie bedienen, fuͤr ſie ſorgen, ſie Braut nennen und da- bei Koͤrbe machen ohn’ Ende. Dies eingebildete Gluͤck dauerte denn jedesmal bis ihm die Erinnerung an ihren Kuß bei’m Grabe und an ihr: „Leb’ wohl!“ wieder wach wurde. Der Ton, womit ſie jenes Ab- ſchiedswort geſprochen, war zu beſtimmt, zu deutlich.
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zu nehmen: ſie traten von der gefaͤhrlichen Erbſchaft
zuruͤck. Ueber Ottilien hoͤrte er gar nichts. Die
Paſtorſoͤhne waren zur Univerſitaͤt abgereiſet; der
alte Paſtor in großer Angſt, wie er ſie genuͤgend bei
ihren Studien unterſtuͤtzen ſolle. Jede Verbindung
nach Außen ſchien fuͤr Anton abgebrochen; er auf ſeine
Werkſtatt im ſtillen Haͤuschen beſchraͤnkt. Und aus
Dankbarkeit, aus kindlicher Liebe fuͤr die alte Frau
ſucht’ er ſich einzureden, daß er ſich nach und nach
darein finden muͤſſe. Deshalb gelang es ihm bis-
weilen, ſeine Einſamkeit lieblich auszuſchmuͤcken, wenn
er ſich lebhaft vorſtellte, Tieletunke ſei die Tochter
eines armen, geringen Mannes im Dorfe, — eines
emeritirten Schullehrers etwa — ſie trete bei ihm
ein und ſpreche: mein Vater iſt nun auch geſtorben;
willſt Du mich aufnehmen? Darauf wuͤrde er mit
ſanftem Erroͤthen erwiedern: Gern, Ottilie! Und
wuͤrde ihr der ſeeligen Großmutter Zimmer uͤberlaſſen,
ſie bedienen, fuͤr ſie ſorgen, ſie Braut nennen und da-
bei Koͤrbe machen ohn’ Ende. Dies eingebildete
Gluͤck dauerte denn jedesmal bis ihm die Erinnerung
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/228>, abgerufen am 24.11.2024.
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